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DAS NEUE TESTAMENT



1. Entstehung. Christus gab seinen Aposteln vor seinem Scheiden aus dieser Welt den gewaltigen Auftrag: "Gehet hin und lehret alle Völker" (Mt 28, 19f.). Damit war den Aposteln, ihren Gehilfen und Nachfolgern der Weg gewiesen, auf dem sie die Worte und Taten Jesu über das kleine Palästina hinaus der ganzen Welt verkünden sollten. Sie sollten also lehren und die Völker sollten hören; denn "der Glaube kommt vom Hören" (Röm 10, 17;Lk 10, 16).

Doch schon bald sahen sich die Apostel und einige ihrer Mitarbeiter veranlaßt, bei gegebenen Gelegenheiten manches aus der Predigt niederzuschreiben, um das mündlich gesprochene Wort zu ergänzen und zu vertiefen oder um im geschriebenen Wort eine Gedächtnisstütze zu haben, die in aller Treue das bewahrt, was wirklich geschehen ist, und das lehrt, was zu tun ist. Denn, was die Apostel lehrten, sollte nicht nur kostbare Erinnerung sein an das Erdenleben des Heilandes und an das erhabene Walten des verklärten und erhöhten Herrn, sondern auch eine Grundlage des Glaubens und des Lebens aus dem Glauben, ein Glaubenszeugnis. So entstanden in einem Zeitraum von etwa fünfzig Jahren die Schriften, die heute im Neuen Testament vereinigt sind als wertvolle Ergänzung der mündlichen Lehrverkündigung.

Noch waren aber die einzelnen Schriften des Neuen Testamentes nicht zu einer Sammlung zusammengestellt. Dies geschah erst im Laufe des zweiten christlichen Jahrhunderts. Zunächst wurden die Briefe des heiligen Paulus gesammelt, sicherlich schon vor dem Jahre 150. Wohl zu gleicher Zeit wurden auch die vier Evangelienschriften, die das eine Evangelium in vierfacher Gestalt der gläubigen Belehrung und Erbauung vorlegten, samt der Apostelgeschichte zu einem Buche vereinigt. Gegen Ende des zweiten Jahrhunderts haben wir auch Zeugnisse dafür, daß die anderen Schriften, die sogenannten katholischen Briefe, gesammelt und in einem Buche zusammengestellt waren. So erscheint zu Ende des zweiten Jahrhunderts aus der lebendigen kirchlichen Überlieferung heraus das Verzeichnis der heiligen Schriften im wesentlichen festgelegt, wenn auch die endgültige Abgrenzung gegen andere ebenfalls alte und wertvolle christliche Schriften erst im dritten und vierten Jahrhundert erfolgt ist. Damit hat die Kirche bis auf den heutigen Tag das alte Erbgut treu und unverletzt bewahrt und uns im Neuen Testament ein Buch geschenkt, das alle Bücher der Weltliteratur unvergleichlich hoch überragt.

2. Der Text. Die im Neuen Testamente vereinigten heiligen Schriften sind mit Ausnahme des Matthäusevangeliums (das ursprünglich in der hebräisch-aramäischen Landessprache Jesu verfaßt wurde) griechisch geschrieben. Es ist das Griechisch, das damals in der ganzen kultivierten Welt, vor allem im Mittelmeerkreis gesprochen wurde. So fand die Weltreligion eine Weltsprache vor, die sie sofort in ihren Dienst stellte. Bald aber mußte das griechische Neue Testament in andere Sprachen übertragen werden, vor allem in die lateinische Sprache. Diese Übersetzung hat der heilige Hieronymus überarbeitet und verbessert und so eine Ausgabe des lateinischen Textes geschaffen, die man mit Recht als die "Vulgata", das heißt als die allgemein im Gebrauch und im Ansehen stehende Übersetzung bezeichnet. Heute ist die Heilige Schrift, insbesondere das Neue Testament, nicht nur in alle bekannten Sprachen der Welt, sondern auch in eine große Anzahl von Dialekten übersetzt.

Der Text des Neuen Testamentes mußte, um Verbreitung zu finden, abgeschrieben werden. Da ist es leicht verständlich, daß sich Lese- und Hörfehler und natürlich auch Schreibfehler eingeschlichen haben. So erklären sich die vielen Abweichungen in den Handschriften, die wir heute vom Neuen Testament besitzen. Es sind etwa 2500 Handschriften des ganzen Neuen Testamentes und ungefähr 1565 Teilabschriften bekannt. Dazu kommen fast jährlich kleinere Stücke, die entweder auf Papyrus oder Scherben (Ostraka) geschrieben sind. Die ältesten großen Handschriften stammen aus dem 4. und 5. Jahrhundert, während die Papyri und die Ostraka noch weiter hinaufführen. Trotz dieser auf den ersten Blick überaus großen Mannigfaltigkeit ist aber der echte Text in einem Ausmaße gesichert, daß er durch neue Funde immer wieder bestätigt und in keinem wesentlichen Punkt auch nur gefährdet wurde. Nimmt man noch dazu, daß Stellen aus dem Neuen Testament schon in Schriften erwähnt sind, die nicht lange später geschrieben wurden, daß Bücher aus ältester Zeit, die Abschnitte des Neuen Testamentes für den kirchlichen Gebrauch enthalten, mit den anderen Handschriften durchaus zusammenstimmen, so wird die Sicherheit des Textes so groß, daß auch die Auffindung eines von den Verfassern selbst geschriebenen Exemplars irgendeiner Schrift des Neuen Testamentes am heutigen Texte nichts mehr ändern würde.



3. I n s p i r a t i o n. Das Neue Testament unterscheidet sich von allen anderen Büchern der Welt (ebenso wie das Alte Testament) darin, daß es nicht als ein Werk rein menschlicher Erfindung und Eingebung gelten darf, sondern daß es eine vom Heiligen Geiste erfüllte Schrift ist. Es ist das Werk Gottes in menschlicher Form. Gott gab den Antrieb zum Schreiben und von ihm kommt die Eingebung dessen, was geschrieben werden sollte, und auch wie geschrieben werden sollte. Der Stil, der Wortschatz, die persönliche und zeitgebundene Denk- und Anschauungsweise des Schriftstellers blieben dabei aber vollauf gewahrt. Papst Leo XIII. hat darüber lichtvoll folgendes geschrieben: "Mt seiner übernatürlichen Kraft regte der Heilige Geist die Verfasser so an, bewog sie so zum Schreiben und stand ihnen so zur Seite, daß sie alles das und nur das, was er befahl, richtig im Verstand erfaßten und getreu niederzuschreiben willens waren und in passender Weise mit unfehlbarer Wahrheit zum Ausdruck brachten. Denn anders wäre er nicht der Urheber der ganzen Heiligen Schrift" (Rundschreiben "Prov. Deus"). Wir verweisen insbesondere auf das Rundschreiben Pius' XII. vom 30. September 1943 "Über die zeitgemäße Förderung der biblischen Studien".

Wir dürfen deshalb dieses Buch nur mit heiliger Ehrfurcht lesen, nicht um unsere Neugierde zu befriedigen, sondern mit gläubigem Herzen, um Gott in seinem Wirken besser kennenzulernen, um ihn inniger lieben zu können und ihm alle Tage treuer zu dienen. Wenn diese Gesinnung dich beseelt, dann: Nimm und lies!



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