Esra 1

B+1

Die Bücher Esra und Nehemia

Die Bücher Esra und Nehemia bilden nach weit verbreiteter Meinung zusammen mit den Büchern der Chronik das Chronistische Geschichtswerk. Im Rahmen dieser Geschichtsdarstellung, die mit der Begründung der Gottesherrschaft in Israel unter David und Salomo anhebt, um anschließend am Beispiel der Königszeit die Treulosigkeit des Gottesvolkes, aber auch die dem Sünder stets gewährte Möglichkeit der Umkehr zu verdeutlichen, berichten die Bücher Esra und Nehemia von der heilvollen Wende in der Geschichte des Gottesvolkes nach dem Babylonischen Exil.

Die verbannten Judäer erhalten durch den Erlass des Perserkönigs Kyrus die Erlaubnis, nach Jerusalem heimzukehren und den Tempel wieder aufzubauen (Esra 1 - 6). Als aber nach der Einweihung des neu errichteten Tempels die Festigung des jungen Gemeinwesens ins Stocken gerät, kommt im Auftrag des persischen Königs der Priester und Schriftgelehrte Esra nach Jerusalem, um in der Heimat die Verhältnisse nach dem Gesetz des Mose zu ordnen (Esra 7 - 10). In Verbindung mit ihm bemüht sich auch Nehemia, der bis dahin am persischen Hof eine hohe Beamtenstelle innegehabt hat, um den Wiederaufbau der Mauern Jerusalems (Neh 1 - 6) sowie um die Reform des religiösen Lebens und um die Beseitigung ärgerniserregender Missstände (Neh 7 - 13).

Im Rahmen des Chronistischen Geschichtswerkes stellt der Verfasser der Bücher Esra und Nehemia die Zeit nach dem Babylonischen Exil in Jerusalem und Juda so dar, dass sie deutlich an die Begründung der Gottesherrschaft in Israel nach dem Scheitern des Königtums Sauls erinnert. Der Wiederaufbau Jerusalems, die Einweihung des Tempels und die Neubegründung des religiösen Lebens im Land nach dem Gesetz des Mose bezeichnen darum nach der Meinung des Verfassers die Wende vom Unheil zum Heil, von einer Zeit des Gerichts und des Zorns zu einer Zeit der neuen Zuwendung Gottes zu Israel und Israels zu seinem Gott. Und wie nach chronistischer Darstellung die Zeit Davids nur als Vorstufe zu der als Ideal der Gottesherrschaft geschilderten Zeit Salomos erscheint, so wird auch bei der Neuordnung der Gemeinde unter Esra und Nehemia der Abstand deutlich, der diese Zeit von der noch ausstehenden endgültigen Offenbarung der Herrlichkeit Gottes über Israel trennt.

Die von Esra und Nehemia wiederholt ausgesprochene Mahnung, Gott und seinem Gesetz die Treue zu halten und sich auf seine Führung zu verlassen, gilt daher einer Gemeinde, die sich zwar als »heiliger Same« (Esra 9,2) und als »geretteter Rest« (Esra 9,15) begreift, die aber noch ein endgültiges Heilshandeln Gottes erwartet.

Die Bücher Esra und Nehemia, die auch aramäisch geschriebene Urkunden aus der Perserzeit verwenden (Esra 4,8 - 6,18; 7,12-26), sind zusammen mit den Büchern der Chronik um 400 v. Chr. oder etwas später in Jerusalem verfasst worden.

1 B+0

Die Heimkehr der Juden und der Wiederaufbau des Tempels: 1,1 - 6,22

Die Erlaubnis zur Heimkehr und zum Tempelbau: 1,1-11

Im ersten Jahr des Königs Kyrus von Persien sollte sich erfüllen, was der Herr durch Jeremia gesprochen hatte. Darum erweckte der Herr den Geist des Königs Kyrus von Persien und Kyrus ließ in seinem ganzen Reich mündlich und schriftlich den Befehl verkünden: 1
2 So spricht der König Kyrus von Persien: Der Herr, der Gott des Himmels, hat mir alle Reiche der Erde verliehen. Er selbst hat mir aufgetragen, ihm in Jerusalem in Juda ein Haus zu bauen. 2
3 Jeder unter euch, der zu seinem Volk gehört - sein Gott sei mit ihm -, der soll nach Jerusalem in Juda hinaufziehen und das Haus des Herrn, des Gottes Israels, aufbauen; denn er ist der Gott, der in Jerusalem wohnt.
4 Und jeden, der irgendwo übrig geblieben ist, sollen die Leute des Ortes, in dem er ansässig war, unterstützen mit Silber und Gold, mit beweglicher Habe und Vieh, neben den freiwilligen Gaben für das Haus Gottes in Jerusalem.
5 Die Familienoberhäupter von Juda und Benjamin sowie die Priester und Leviten, kurz alle, deren Geist Gott erweckte, machten sich auf den Weg, um nach Jerusalem zu ziehen und dort das Haus des Herrn zu bauen.
6 Alle ihre Nachbarn unterstützten sie in jeder Weise mit Silber und Gold, mit beweglicher Habe und mit Vieh sowie mit wertvollen Dingen, abgesehen von dem, was jeder für den Tempel spendete.
7 König Kyrus gab auch die Geräte des Hauses des Herrn zurück, die Nebukadnezzar aus Jerusalem weggeschleppt und in das Haus seines Gottes gebracht hatte.
8 König Kyrus von Persien übergab sie dem Schatzmeister Mitredat und dieser zählte sie Scheschbazzar, dem Oberen von Juda, vor.
9 Das war ihre Zahl: 30 goldene Opferschalen, 1000 silberne Opferschalen, 29 Räucherpfannen,
10 30 goldene Becher, 410 silberne Becher, 1000 sonstige Geräte.
11 Insgesamt waren es 5400 Geräte aus Gold und Silber. All das brachte Scheschbazzar mit, als er mit den Verschleppten von Babel nach Jerusalem zurückkehrte. 3

1 ℘ (1-3) 2 Chr 36,22f; Jer 25,11f; 29,10
2 ℘ Jes 44,28; 45,1-4
3 Die angegebene Gesamtzahl der Tempelgeräte übersteigt die Summe der vorher wohl nur als Beispiele genannten Einzelposten (vgl. auch Bar 1,8).