Koh 7

Zum Thema: Nachruhm: 7,1-4

1 Besser ein guter Name als Parfüm - /
 
und der Tag eines Todes als der Tag einer Geburt; 12

2 besser der Gang in ein Haus, wo man trauert, /
 
als der Gang in ein Haus, wo man trinkt. Weil dies das Ende jedes Menschen ist, /
 
macht, wer noch lebt, sich Gedanken. 3

3 Besser sich ärgern als lachen; /
 
denn bei einem vergrämten Gesicht wird das Herz heiter. 4

4 Das Herz der Gebildeten ist im Haus, wo man trauert, /
 
das Herz der Ungebildeten im Haus, wo man sich freut.

Zum Thema: Bildung: 7,5-7

5 Besser die Mahnrede eines Gebildeten anhören, /
 
als dem Gesang der Ungebildeten lauschen; 5

6 denn wie das Prasseln der Dornen unter dem Kessel, /
 
so ist das Lachen des Ungebildeten. - Aber auch das ist Windhauch, denn: 6

7 Erpressung verblendet den Gebildeten /
 
und Bestechung verdirbt den Verstand. 7

Zum Thema: Zurückhaltung und Hängen am Hergebrachten: 7,8-10

8 Besser der Ausgang einer Sache als ihr Anfang, /
 
besser der Vorsichtige als der Stürmische. 8

9 Lass dich nicht aufregen, sodass du dich ärgerst, /
 
denn Ärger steckt in den Ungebildeten. - 9
10 Doch frag nicht: Wie kommt es, dass die früheren Zeiten besser waren als unsere? Denn deine Frage zeugt nicht von Wissen.

Zum Thema: Wissen als Mittel zu langem Leben: 7,11-18

11 Wissen ist so viel wert wie Erbbesitz, /
 
es ist sogar mehr wert für die, welche die Sonne sehen; 10

12 denn wer sich im Schatten des Wissens birgt, der ist auch im Schatten des Geldes; /
 
aber das ist der Vorteil des Könnens: Das Wissen erhält seinen Besitzer am Leben. - 1112
13 Doch sieh ein, dass Gottes Tun noch hinzukommt. Denn: Wer kann gerade biegen, was er gekrümmt hat? 1314
14 Am Glückstag erfreue dich deines Glücks und am Unglückstag sieh ein: Auch diesen hat Gott geschaffen, genau wie jenen, sodass der Mensch von dem, was nach ihm kommt, gar nichts herausfinden kann. 15
15 In meinen Tagen voll Windhauch habe ich beides beobachtet: Es kommt vor, dass ein gesetzestreuer Mensch trotz seiner Gesetzestreue elend endet, und es kommt vor, dass einer, der sich nicht um das Gesetz kümmert, trotz seines bösen Tuns ein langes Leben hat. 16
16 Halte dich nicht zu streng an das Gesetz und sei nicht maßlos im Erwerb von Wissen! Warum solltest du dich selbst ruinieren? 17
17 Entfern dich nicht zu weit vom Gesetz und verharre nicht im Unwissen: Warum solltest du vor der Zeit sterben? 18
18 Es ist am besten, wenn du an dem einen fest hältst, aber auch das andere nicht loslässt. Wer Gott fürchtet, wird sich in jedem Fall richtig verhalten. 1920

Zum Thema: Wissen als Schutz: 7,19-22

19 Das Wissen ist für den Gebildeten ein stärkerer Schutz /
 
als zehn Machthaber zusammen, /
 
die in der Stadt geherrscht haben. - 2122

20 Doch gibt es auf der Erde keinen einzigen Menschen, der so gesetzestreu wäre, dass er stets richtig handelt, ohne je einen Fehler zu begehen. 23
21 Hör auch nicht auf all die Worte, die man so sagt. Denn niemals wirst du einen Untergebenen über dich schimpfen hören,
22 und doch bist du dir bewusst, dass auch du sehr oft über andere geschimpft hast.

Zum Thema: Überliefertes Wissen und Wissen aus Beobachtung: 7,23 - 8,1a

23 Auf allen Wegen habe ich es mit dem Wissen versucht. Ich habe gesagt: Ich will lernen und dadurch gebildet werden. Aber das Wissen blieb für mich in der Ferne. 24

24 Fern ist alles, was geschehen ist, /
 
und tief, tief versunken - /
 
wer könnte es wieder finden? 25

25 So habe ich, genauer: mein Verstand, mich umgestellt. Ich wollte forschend und suchend erkennen, was dasjenige Wissen wirklich ist, das Einzelbeobachtungen zusammenrechnet. Ferner wollte ich erkennen, ob Gesetzesübertretung mit mangelnder Bildung und Unwissen mit Verblendung zusammenhängt. 26

26 Immer wieder finde ich die Ansicht, stärker als der Tod sei die Frau. Denn: Sie ist ein Ring von Belagerungstürmen /
 
und ihr Herz ist ein Fangnetz, /
 
Fesseln sind ihre Arme. Wem Gott wohlwill, der kann sich vor ihr retten, /
 
wessen Leben verfehlt ist, wird von ihr eingefangen. 27

27 Aber sieh dir an, was ich, Beobachtung um Beobachtung, herausgefunden habe, sagte Kohelet, bis ich schließlich das Rechenergebnis fand, 28

28 oder vielmehr: wie ich immer wieder suchte und nichts fand: Von tausend Menschen habe ich nur einen wieder gefunden, /
 
aber der, den ich von ihnen allen wieder gefunden habe, war keine Frau. 29

29 Sieh dir an, was ich als Einziges herausgefunden habe: Gott hat die Menschen rechtschaffen gemacht, /
 
aber sie haben sich in allen möglichen Berechnungen versucht. 30
1 ℘ Spr 22,1; Sir 41,11-13
2 In H ein Wortspiel zwischen «Name» (schem) und «Parfüm» (schemen tob). «Name» meint den guten Ruf, aber auch den Nachruhm über den Tod hinaus (vgl. Spr 10,7; Ijob 18,17). An diese Nuance des Sprichworts knüpft die eigene Überlegung Kohelets an. Ihr Anfang ist, wie immer im Folgenden, in der Übersetzung durch einen Gedankenstrich gekennzeichnet.
3 ℘ 11,9 - 12,7; Sir 7,36
4 ℘ 1 Kor 3,10f
5 ℘ Spr 13,1; 15,32
6 In H ein Wortspiel: Gesang (schir) - Dornen (sirim) - Kessel (sir) - Ungebildeter (kesil).
7 ℘ Ex 23,8; Dtn 16,19
8 ℘ Spr 24,20
9 ℘ Spr 22,24
10 ℘ Spr 16,16
11 ℘ Spr 3,1f.13-18
12 Diese Bildungstheorie ist von der Überzeugung getragen, der Mensch könne mit seinem Wissen die Zukunft überschaubar und beherrschbar machen; dadurch ließe sich vorzeitiger Tod vermeiden. Wichtig ist dabei die Annahme eines Zusammenhangs zwischen menschlichem Verhalten und späterem Ergehen. Das stellt Kohelet im Folgenden immer wieder in Frage. Deshalb kommt er dann auch zu einer anderen Ethik.
13 ℘ 1,15
14 Beweisführung mit der Aussage von 1,15.
15 ℘ 3,11; Ijob 2,10; Sir 11,14
16 ℘ 8,14; 9,1f; Ps 73,12-14; Ijob 21,7
17 ℘ 2,15; Lk 18,9-14
18 ℘ 3,2
19 ℘ Spr 10,27
20 Andere Übersetzungsmöglichkeit: Wer Gott fürchtet, wird beiden Gefahren entgehen. - An dieser Stelle ist Gottesfurcht jenes Ethos, das sich aus der Einsicht von 7,13 ergibt: dass Gottes Handeln letztlich alle Ereignisse bestimmt und dass es sich nicht nach Regeln festlegen lässt (vgl. 3,14).
21 ℘ 9,16; Spr 21,22; 24,5
22 19-22: Der Behauptung der Tradition, das Wissen schütze vor Gefahren, begegnet Kohelet mit der These, es gebe überhaupt keinen Menschen, der es fertig bringt, fehlerfrei nach Wissen und Erziehung zu handeln.
23 ℘ 1 Kön 8,46; Ps 14,3; Ijob 15,14-16; Röm 1,18 - 3,20; 5,12; 1 Joh 1,8
24 23-25: Diese den Abschnitt einleitenden Sätze dienen innerhalb von 6,11 - 9,6 auch als Rückblick und Vorblick.
25 ℘ 1,11; 3,11
26 ℘ 1,17
27 ℘ Ri 16,4-21; Spr 2,16-19; 5,2-6; Koh 2,26; Spr 22,14
28 ℘ 1,2; 12,8
29 Widerspricht der in 7,26a zitierten Vorstellung. Kohelet nimmt diese Aussage ganz wörtlich und widerlegt sie durch die Erfahrung: Auch die Frauen sind sterblich.
30 Schwer übersetzbarer Text, der auf einem Wortspiel beruht. Das hebräische Wort für «Berechnungen» (es bedeutet auch «Wurfmaschinen») verweist auf die Kriegstechnik. Kohelet spielt immer noch auf 7,25f an.