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DAS ALTE TESTAMENT



Obschon das Alte Testament aus verschiedenen Schriftwerken besteht, die sich in der Entstehungszeit, der Szenerie und im Stil unterscheiden, so hat es doch nur einen Geist und einen Zweck. Ob es uns erzählt, wie Adam und Eva sündigen, oder wie Kain ruhelos umherirrt, ob es uns in die Zelte der Patriarchen führt, auf die Ziegelfelder am Nil, in die Schluchten des Sinai oder in die stürmischen Zeiten der Richter, in Jerusalems Paläste oder an die Gewässer Babels - immer lernen wir den Charakter des Gottes der Urväter kennen, des Gottes, der nicht ist wie die Heidengötter. Wir sehen oder hören, was er von uns fordert, wie er uns behandelt, lernen die Wege, wie er uns liebt, seine Art zu strafen, die Kunstgriffe seiner Barmherzigkeit, das Ziel, das er dem Menschen anweist, und wie sich die Menschen gegeneinander betragen und wie sie die Güter der Erde gebrauchen sollen.



DAS ALTTESTAMENTLICHE GESCHICHTSWERK



Das Alte Testament enthält neben den anderen heiligen Büchern ein Geschichtswerk ersten Ranges. Dies Werk besteht aus den Büchern Genesis, Exodus, Levitikus, Numeri und Deuteronomium, oder dem sogenannten Pentateuch oder Fünfbuch, und den Büchern Josue, Richter, Samuel und Könige. Diese Bücher knüpfen nicht nur sachlich aneinander an, insofern jedes den Faden der Erzählung da aufnimmt, wo ihn das vorangehende fallen läßt, sondern sind auch formell miteinander verknüpft, indem, mit Ausnahme der Genesis und des Deuteronomiums, jedes einzelne mit "und" anfängt. Dieses Geschichtswerk will durch die bunte Reihe seiner Erzählungen im Leser und Hörer die Überzeugung wecken, daß sich in den Geschicken des auserwählten Volkes, dieses "wandelnden Geheimnisses der Weltgeschichte", eine besondere göttliche Leitung und Fügung bemerkbar machen. Es will dadurch das Vertrauen auf eben diese göttliche Leitung im eigenen Leben stärken und kräftigen.



DER PENTATEUCH



Fast genau die erste Hälfte des großen Geschichtswerks nimmt der sogenannte Pentateuch oder das Fünfbuch ein. Es ist in der Hauptsache ein erzählendes Werk, das die Zeit von der Erschaffung der Welt bis zu Mosis Tod umspannt. Die Erzählung ist bald ausführlich, bald skizzenhaft. Besonders ausführlich behandelt sind die Patriarchen, die Anfänge der Wirksamkeit des Moses bis zum Auszug aus Ägypten, der Aufenthalt am Sinai und Mosis letzte Lebenstage. Einige Zeiträume sind fast nur durch Stammbäume überbrückt, so der zwischen den ersten Menschen und der Sintflut, der zwischen Noe und Abraham und der zwischen Joseph und Moses. Die Erzählung ist aber keine bloß äußerliche Aneinanderreihung von Berichten, sondern durch das Ganze zieht sich ein beherrschender Gedanke als ein die Einzelteile verbindender Faden: "Das Volk Israel und das Heilige Land". Schon in der Genesis klingt immer wieder die Verheißung durch, daß der Herr den Nachkommen Abrahams das Land Kanaan zu eigen geben wolle, und in den folgenden Büchern wird das, was Israel erfährt, immer wieder als Erfüllung jener Verheißung hingestellt.

Der Pentateuch ist kein rein erzählendes Werk, sondern ein Lehrbuch und zugleich ein Gesetzbuch, insofern in den Zusammenhang der Erzählung Gesetze eingebettet sind. In der Genesis sind die Gesetze nur ausnahmsweise zu finden. Dagegen schwillt in den folgenden Büchern der Gesetzesstoff mehrfach so gewaltig an, daß darüber der Faden der Erzählung völlig aus den Augen schwindet.