Joh 1

Joh



Das Johannes-Evangelium schildert Jesus als Messias und Sohn Gottes, der das Licht der Welt ist. Es ist unter den Evangelien am meisten persönlich gehalten und entstand nach dem Jahre 90 in Ephesus. In schlichter Sprache führt uns der Evangelist in die Tiefen der Gottheit hinein, aus denen uns die Liebe unseres Heilands und Erlösers entgegenstrahlt.



Prolog - Johannes der Täufer - Erste Wunder Jesu

1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.1
2 Dieses war im Anfang bei Gott;
3 alles ist durch es geworden, und nichts von dem, was geworden ist, ward ohne dieses.
4 In ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
5 Das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht begriffen.
6 Da war ein Mensch, ein Gottesbote; Johannes ist sein Name.
7 Der kam als Zeuge, zu künden von dem Lichte, damit alle durch ihn glauben sollten.
8 Er selbst war nicht das Licht; nur künden sollte er vom Lichte.
9 Da kam das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, in diese Welt.
10 Er war in der Welt; die Welt ist ja durch ihn gemacht; und doch hat die Welt ihn nicht erkannt.
11 Er kam in sein Eigentum, die Seinen aber nahmen ihn nicht auf.
12 Doch allen, die ihn aufnahmen, verlieh er Kraft, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben;
13 die nicht aus dem Blute - aus Fleischeslust nicht, noch aus Manneswollen -, vielmehr aus Gott geboren sind.
14 Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt. Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, eine Herrlichkeit wie die eines Eingeborenen vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.
15 Johannes kündet ihn und ruft: "Der war es, von dem ich sprach: Nach mir kommt einer, der vor mir ist; denn er war eher als ich."
16 Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen: Gnade um Gnade.
17 Durch Moses ward uns das Gesetz gegeben; doch Gnade und Wahrheit kamen durch Jesus Christus.
18 Noch nie hat jemand Gott geschaut; ein eingeborener Gott, der am Herzen des Vaters ruht, hat ihn geoffenbart.
19 Dies ist das Zeugnis des Johannes, als die Juden aus Jerusalem Priester und Leviten zu ihm sandten, damit sie ihn fragen sollten: "Wer bist du denn?"
20 Und er bekannte ohne Leugnen und beteuerte: "Ich bin nicht Christus."
21 Da fragten sie ihn weiter: "Was nun, bist du Elias?" Er gab zur Antwort: "Nein." "Bist du der Prophet?" "Nein", sagte er.2
22 Da sprachen sie zu ihm: "Wer bist du denn? Wir müssen denen, die uns sandten, Antwort bringen. Für wen gibst du dich aus?"
23 Er sprach: "Ich bin die Stimme, die in der Steppe ruft: 'Macht eben den Weg des Herrn!', wie der Prophet Isaias gesagt hat."3
24 Es waren auch Abgesandte dabei aus den Pharisäern.
25 Sie fragten ihn: "Warum taufst du dann, wenn du nicht der Christus bist, noch Elias, noch der Prophet?"
26 Johannes sagte ihnen: "Ich taufe nur mit Wasser; doch mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt,
27 der nach mir kommt [der vor mir war]: Ich bin es nicht wert, ihm die Riemen seiner Schuhe aufzubinden."
28 Dies geschah zu Bethanien, jenseits des Jordans, wo Johannes taufte.
29 Am Tag darauf sah er, wie Jesus auf ihn zukam; er sprach: "Seht das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt.
30 Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir ist; denn er war eher als ich.
31 Ich kannte ihn auch nicht, damit er jedoch in Israel offenbar würde, trat ich mit meiner Wassertaufe auf."
32 Und weiter bezeugte Johannes: "Ich sah den Geist wie eine Taube aus dem Himmel niedersteigen und über ihm schweben.
33 Auch ich kannte ihn nicht; doch der, der mich zur Wassertaufe gesandt hat, sagte mir: 'Auf den du den Geist niedersteigen und über ihm schweben siehst, der ist es, der mit Heiligem Geiste tauft.'
34 Und das habe ich gesehen und bezeugt: Dieser ist der Sohn Gottes."
35 Des anderen Tages stand Johannes wieder da, samt zweien seiner Jünger.
36 Und Jesus kam des Weges daher; er richtete seine Augen auf ihn und sprach: "Seht das Lamm Gottes."
37 Die zwei Jünger hörten, was er sagte, und folgten Jesu nach.
38 Und Jesus wandte sich um und sah, daß sie ihm folgten. Da fragte er sie: "Was suchet ihr?" Sie sagten zu ihm: "Rabbi - d.h. Meister -, wo wohnst du?"4
39 Er sagte ihnen: "Kommt und seht!" Sie gingen also mit und sahen, wo er wohnte, und blieben jenen Tag bei ihm. Es war um die zehnte Stunde.5
40 Andreas, der Bruder des Simon Petrus, war einer von den beiden, die dies von Johannes gehört hatten und ihm gefolgt waren.
41 Gleich hernach traf er seinen Bruder Simon und sprach zu ihm: "Wir haben den Messias - d.h. den Christus - gefunden."
42 Er führte ihn zu Jesus. Und Jesus schaute ihn an und sprach: "Du bist Simon, der Sohn des Johannes; du wirst Kephas - d.h. Petrus - heißen."
43 Des anderen Tages wollte er nach Galiläa gehen; da traf er den Philippus. Und Jesus sprach zu ihm: "Komm mit!"
44 Philippus stammte aus Bethsaida, der Heimat des Andreas und des Petrus.
45 Philippus traf den Nathanael und sprach zu ihm: "Den Mann, von dem Moses im Gesetze geschrieben hat und die Propheten, haben wir gefunden: Jesus aus Nazareth, den Sohn des Joseph!"6
46 Nathanael gab ihm zur Antwort: "Kann denn aus Nazareth das Heil kommen?" Philippus sagte ihm: "Komm und sieh!"
47 Jesus sah den Nathanael, wie er zu ihm kam, und sprach von ihm: "Seht da, ein echter Israelit, an dem nichts Falsches ist."
48 Nathanael fragte ihn: "Woher kennst du mich?" Darauf gab ihm Jesus zur Antwort: "Noch ehe dich Philippus rief, habe ich dich unter dem Feigenbaum gesehen."
49 Da sprach Nathanael zu ihm: "Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König Israels."
50 Und Jesus sprach zu ihm: "Weil ich dir gesagt habe, ich habe dich unter dem Feigenbaum gesehen, glaubst du; noch Größeres als dies wirst du sehen."
51 Dann sagte er zu ihm: "Wahrlich, wahrlich sage ich euch: Ihr werdet den Himmel offen und die Engel Gottes über dem Menschensohn auf- und niedersteigen sehen."
1 Jesus ist vor allem Anfang, von Ewigkeit her, bei Gott als dessen wesensgleicher Sohn.
2 Jesus sagte einmal von Johannes (Mt 11, 14): "Er ist Elias, der da kommen soll" und hier sagt Johannes: "Ich bin nicht Elias." - Der Hl. Gregor d. Gr.: Was der Heiland vom Geist des Elias sagt, das leugnet Johannes von der "Persönlichkeit".
3 s. Jes 40, 3
4 Sichtlich bezeichneten die Apostel den Heiland mit dem für Gesetzeslehrer gebräuchlichen Titel "Rabbi", den uns Johannes in der Ursprache überliefert.
5 Die zehnte Stunde ist nachmittags 4 Uhr; wie tief muß sich dieses glückselige Ereignis in das Herz und die Gedanken des Apostels eingeprägt haben, wenn er nach so vielen Jahren noch die genaue Zeit weiß!
6 Dieser Nathanael ist mit Bartholomäus identisch.