Dan 1

Dan



Das Buch Daniel, in der hebräischen Bibel unter den Hagiographa des dritten Teils, besteht aus den Geschichten Kap. 1-6 und den Gesichten 7-12 nebst drei Erzählungen im Anhang.

Der Grundgedanke, daß Gott unbedingt helfen könne und werde, beherrscht die Erzählungen Lap. 1-6. Sie alle bekunden den felsenfesten Glauben, daß Gott allmächtig ist. Keine menschliche Macht kann ihm etwas anhaben. Gott behält im Entscheidungsfall immer wieder den Sieg und kommt den Seinen immer wieder zu Hilfe.

Gottes Herrschaft ist ewig. Was bedeutet demgegenüber alle zeitliche Macht? Reiche entstehen, Reiche vergehen, eines geringer als das andere. Die Zeiten werden schlechter; sie werden über alle Maßen schlecht. Jedoch das alles dauert nur bis zu einem bestimmten, von Gott gewollten Augenblick. Aber die brennende Ungeduld der Geplagten und Verfolgten verlangt, in das Geheimnis einzudringen und sich darüber Gewißheit zu verschaffen, wann genau dieser Augenblick kommen und wie sich die Wende vollziehen werde. Schon einmal hat der Herr seinen Propheten in gleicher Drangsalszeit während des Exils Aufschluß über das Ende der Feindesnot gegeben. Darum wurden diese ehrwürdigen Aufzeichnungen Kap. 7-12 mit den Erzählungen zusammengestellt, indem man ihre geheimnisvollen Aussagen auf die Jetztzeit bezog und aus ihnen die Antwort auf die bange Frage nach dem "Wie lange noch?" herauszulesen sich bemühte.



Daniel und seine Gefährten am Hofe zu Babel

1 Im dritten Jahr der Herrschaft Jojakims, des Judakönigs, kam Nebukadrezar, der Babelkönig, nach Jerusalem und schloß es ein.1
2 Da gab der Herr den Judakönig Jojakim mitsamt den besten Stücken aus dem Gotteshaus in seine Hand. Er brachte diese in das Sinearland in seines Gottes Haus. Doch die Geräte brachte er ins Schatzhaus seines Gottes.
3 Und da befahl der König dem Obersten der Kämmerlinge, Aspenaz, er solle von den Söhnen Israels aus königlichem wie aus adligem Geblüt
4 ihm Knaben bringen, an denen gar nichts auszusetzen sei, von schönem Angesicht, in allem Wissen wohl bewandert, kenntnisreich und gut erzogen, die die Fähigkeit besäßen, im Palast des Königs aufzuwarten, damit er sie in der Chaldäer Schrift und Sprache unterrichten lassen könne.2
5 Auch wies der König ihnen ihren Unterhalt für jeden Tag vom königlichen Tische an und von dem Weine, den er selber trank, daß sie, drei Jahre lang gut ausgebildet, in die königlichen Dienste treten könnten.
6 Darunter waren Daniel und Ananias, Misael und Azarias aus dem Stamme Juda.
7 Der Oberkämmerer gab ihnen andre Namen. Den Daniel hieß er Baltasar, den Ananias Sidrach, Misach den Misael, Abdenago den Azarias.3
8 Doch Daniel nahm sich im Herzen vor, sich weder durch des Königs Speise noch durch den Wein, den jener trank, unrein zu machen. Und so erbat er sich vom Oberkämmerer, daß er sich nicht unrein machen müsse.4
9 Und Gott ließ Daniel beim Oberkämmerer Nachsicht und Gnade finden.
10 Doch sprach der Oberkämmerer zu Daniel: "Ich fürchte meinen Herrn, den König, der euch Speis und Trank bestimmte. Fänd er, daß euere Gesichter schmächtiger als die der andern Knaben eures Alters wären, so brächtet ihr beim König mich um meinen Kopf."
11 Darauf sprach Daniel zum Wächter, den der Oberkämmerer über Daniel und Ananias, Misael und Azarias gesetzt:
12 "Versuch es bitte doch zehn Tage lang mit deinen Knechten. Man gebe nur Gemüse uns zu essen und nur Wasser uns zu trinken!
13 Besieh dann unsere Gesichter und die der andern Knaben, die von der königlichen Kost genießen! Und je nachdem, wie dein Befund ausfällt, magst du mit deinen Knechten dann verfahren!"
14 Auf diese Rede hin versuchte er's zehn Tage lang mit ihnen.
15 Nach Ablauf der zehn Tage aber waren ihre Angesichter sichtlich schöner wie auch voller als die aller andern Knaben, die von der königlichen Speise zu genießen pflegten.
16 So ließ fortan der Wächter ihre Speise wegnehmen samt dem Wein, den sie genießen sollten; er brachte ihnen dafür nur Gemüse.
17 Doch den vier Knaben gab die Gottheit Wissen und Verständnis für jede Schrift und Wissenschaft; dem Daniel Verständnis auch für jederart Gesichte und für Träume.
18 Und nach Verlauf der Zeit, nach der der König ihre Vorstellung befohlen, stellte sie der Oberkämmerer Nebukadrezar vor.
19 Da unterredete der König sich mit ihnen, und unter allen andern fand sich keiner so wie Daniel und Ananias, Misael und Azarias.
20 Sooft der König sie befragte in den Fällen, bei denen es auf Weisheit ankam und auf Einsicht, da fand er sie in zehnfach größerem Maß bei ihnen als bei den Zauberern und Wahrsagern in seinem ganzen Reich.
21 Und Daniel erlebte noch das erste Jahr des Königs Cyrus.
1 Von 606 v.Chr. datieren die siebzig Jahre der Gefangenschaft.
2 die heiligen Bücher der Chaldäer.
3 Balatsuusur "Schirme sein Leben!" Abed Nego "Diener des Nebo", absichtliche Abänderung des babylonischen Gottesnamens.
4 Durch Opferspenden gaben die Heiden ihren Gastmählern religiösen Charakter. Das Fleisch konnte von verbotenen Tieren (s. Lev 11, 4;Lev 20, 25) stammen oder unerlaubt zubereitet sein (s. Lev 19, 26).