1Joh 1

Einführung in den ersten Brief des Johannes





A - Weil 1Joh einerseits weder Briefkopf noch -schluß kennt und auch sonst Adressaten und Absender nicht nennt, andererseits auch nicht ein abstrakter theologischer Traktat oder eine allgemein moralisierende Predigt ist, nimmt er unter den sogenannten »;katholischen Briefen« (s. zu Jak A) eine Sonderstellung ein: Es handelt sich um ein gezieltes, sehr persönlich gehaltenes Verkündigungsschreiben, das einer, vermutlich in Kleinasien zu lokalisierenden innerkirchlichen Glaubensgefahr begegnen und den Gemeinden zu Hilfe kommen will, indem es sowohl an die zentralen Glaubensüberzeugungen erinnert wie auch versucht, diese gegen die Zersetzungserscheinungen zu verteidigen.



B - Es handelt sich vermutlich um gnostizierende Strömungen (s. zu Joh 3,1-21), mehr oder weniger bereits von der Art, wie sie in späteren frühchristlichen Schriften (Ignatius von Antiochien, Irenäus) deutlicher beschrieben sind. Die Häresien kommen darin überein, daß sie die Menschwerdung Gottes in Christus und dessen Erlösungstod bestreiten oder so uminterpretieren, daß dieses Heilsgeschehen entleert wird (Doketismus, s. zu Joh 1,14 A). Daraus folgt eine Bagatellisierung des menschlichen Unheils und der Sünde und moralische Gleichgültigkeit (Indifferentismus).



C - Demgegenüber betont das Schreiben, daß in Christus Gottes Sohn Fleisch geworden ist (Inkarnation) und für uns den Sühnetod gestorben ist, weil Gottes Liebe letzte erlösende Gemeinschaft mit uns sucht. Diese Liebe lebt in den Christen weiter und äußert sich in der Liebe zum Bruder, die zum Kriterium der Gottesliebe wird.



D - Im Wortschatz, in der Gedankenführung und in der Art und Weise der Darstellung überhaupt (Stil) erinnert das Schreiben an das Johannesevangelium, so daß mit Recht angenommen wird, diese Schrift stamme aus dem gleichen Autorenkreis wie das Evangelium und ist wohl auch ungefähr zur gleichen Zeit abgefaßt worden (s. Joh A. B. C. D. E).



E - Versuche, innerhalb der Schrift einen Urtext von einer späteren Redaktion zu unterscheiden, sind umstritten, wenn auch damit gerechnet werden kann, daß auch in dieses Schreiben bereits vorliegende Stücke aus der Liturgie oder Katechese eingegangen sind.



DER ERSTE BRIEF DES HL. APOSTELS JOHANNES

Vorwort

1 Was von Anfang an war, was wir gehört und mit eigenen Augen gesehen, was wir geschaut und mit unseren Händen betastet haben, nämlich das Wort des Lebens, das verkünden wir euch. -12
2 Das Leben ist sichtbar erschienen, und wir haben es gesehen. Wir bezeugen und verkünden euch das ewige Leben, das beim Vater war und uns sichtbar erschienen ist. -3
3 Was wir gesehen und gehört haben, verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt. Gemeinschaft haben wir aber auch mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.4
4 Wir schreiben euch dies, damit unsere Freude vollkommen sei.5#

WANDEL IM LICHTE

Enthaltung von Sünde

5 Und dies ist die Botschaft, die wir von ihm vernommen haben und euch verkünden: Gott ist Licht, und keine Finsternis ist in ihm.6#
6 Wenn wir sagen, wir haben Gemeinschaft mit ihm, wandeln aber in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit.78
7 Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, haben wir miteinander Gemeinschaft, und das Blut Jesu, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde.910
8 Wenn wir sagen: "Wir haben keine Sünde!", betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.11#
9 Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, er vergibt uns die Sünden und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.1213
10 Wenn wir sagen, daß wir nicht gesündigt haben, machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns.14
1 V. 1 - 3: Das "Vorwort" erinnert an den "Prolog" des Johannesevangeliums Joh 1, 1 - 18.
2 ℘ 1Joh 2, 13;Joh 1, 1 - 5. 14;Joh 15, 27;Apg 4, 20;Joh 20, 20. 25;Offb 22, 8;Mt 13, 17;Joh 8, 56;1Petr 1, 10. 12;Lk 24, 39;Apg 17, 27
3 ℘ Joh 1, 4;1Joh 4, 9;Röm 3, 21
4 ℘ Mt 13, 17;1Joh 1, 7;Joh 17, 20f;1Kor 1, 9;Phil 1, 5
5 ℘ +Joh 15, 11++;Phil 4, 4;2Kor 1, 24
6 ℘ 1Joh 3, 11;Jak 1, 17;Joh 8, 12
7 Vgl. Mt 6, 24. - Ein moralischer Indifferentismus ist mit Religion nicht in Einklang zu bringen.
8 ℘ +1Joh 2, 4. 11++;Joh 3, 20f
9 Wahre Gemeinschaft mit Gott vertieft immer auch die Gemeinschaft mit den Menschen, wie andererseits die Abwendung vom Mitmenschen zum Verlust Gottes führt vgl. Mt 25, 31 - 46.
10 ℘ 1Joh 1, 3;Joh 8, 12;Joh 12, 35f;Joh 17, 21;Offb 1, 5;Offb 7, 14;+Hebr 9, 14. 22++
11 ℘ Joh 8, 7. 9;+1Joh 2, 4++;Joh 9, 41;Joh 15, 22
12 Wird die Sünde nicht erkannt und bekannt, ist die Bekehrung und Vergebung nicht möglich.
13 ℘ +1Kor 10, 13++;+Hebr 9, 14++
14 ℘ 1Joh 5, 10