2Kor 1

Einführung in den zweiten Brief an die Korinther





A - Zwischen dem ersten uns erhaltenen Paulusbrief an die Korinther (dem bereits ein uns nicht überlieferter Brief vorausgegangen war, s. zu 1Kor A) und diesem letzten, ein gutes halbes Jahr später(?) geschriebenen Brief des Apostels an dieselbe Gemeinde müssen folgende, aus den Texten zu erschließende Ereignisse angesetzt werden: Paulus besucht von Ephesus aus persönlich Korinth, um die Ordnung in der Gemeinde wieder herzustellen, wird jedoch von einer maßgeblichen Gruppe nicht anerkannt und sogar von jemandem schwer beleidigt; er reist nach Ephesus zurück und schreibt den sogenannten »;Tränenbrief« (als solcher nicht erhalten), in dem er die Korinther wegen der jüngsten Vorfälle zur Rede und vor letzte Entscheidungen gestellt haben wird; anschließend schickt Paulus noch seinen Mitarbeiter Titus (mit dem »;Tränenbrief«?) nach Korinth mit dem Auftrag, die Situation zu erkunden. Titus kehrt zurück und berichtet von einem Umschwung in Korinth zugunsten des Paulus. Daraufhin schreibt Paulus von Mazedonien aus diesen sogenannten 2. Korintherbrief, auch »;Freudenbrief« genannt, den Titus wiederum überbringen soll, um in Korinth darüber hinaus einen erneuten Besuch des Paulus vorzubereiten.



B - Die Absicht des Briefes ist durch diese Umstände bestimmt: Man hat die apostolische Autorität des Paulus angezweifelt; mit einer Ausführlichkeit und Eindringlichkeit, die ihresgleichen suchen, will Paulus die Gemeinde von seiner ihm durch Christus übertragenen Vollmacht überzeugen. Man hat ferner versucht, ihm, Paulus, seine Gemeinde zu entfremden; mit der Sorge und Liebe eines Vaters wirbt Paulus erneut um das Vertrauen der von ihm begründeten Gemeinde. Schließlich haben sich die Gegner des Paulus um Pseudoapostel geschart, deren Attacken gegen Paulus letztlich Christus meinen; sie will Paulus entlarven und das wahre Evangelium wieder zur Geltung bringen. Daß auch Reisepläne, die Organisation von Kollekten und disziplinäre Anordnungen zur Sprache kommen, gibt dem Brief sein Zeit- und Lokalkolorit.



C - Die Gegner des Paulus in Korinth, die dem 1. Korintherbrief nach (s. zu 1Kor D) vorwiegend von gnostischen Einflüssen bestimmt gewesen sind, scheinen durch in der Zwischenzeit angekommene »;Apostel« mehr judaistischer Tendenz verstärkt worden zu sein. Jedenfalls verwirft Paulus jenes falsche »;Sichrühmen« seiner Gegner, in dem sich sowohl der auf seine Gesetzeserfüllung stolze »;Israelit« wie der selbstherrliche gnostische »;Pneumatiker« treffen konnten. Der Christ dagegen rühmt sich einzig in Christus.



D - Die Echtheit des Briefes ist unbestritten, seine Einheitlichkeit dagegen wird in Frage gestellt. Vor allem die Kapitel 10-13 scheinen Bruchstücke eines anderen Paulusbriefes an die Korinther zu sein, vielleicht des »;Tränenbriefes«. Doch sind die Meinungen geteilt. Für die Auslegung und Bedeutung des uns vorliegenden Briefes hängt davon nicht viel ab.



E - Die Bedeutung dieses Briefes liegt darin, daß er uns das apostolische Selbstbewußtsein des Paulus und die daraus erwachsende menschliche Not, die aber im Glauben interpretiert und ausgehalten wird, in einmaliger Weise nahebringt. Der Brief gehört zu den großen persönlichen Bekenntnissen der Menschheitsgeschichte.

Zur Eigenart der paulinischen Schriften s. auch Röm A. B. C, eine Übersicht seiner Reisen s. zu 1Kor 4,11.





DER ZWEITE BRIEF DES HL. PAULUS AN DIE KORINTHER

Gruß

1 Paulus, durch den Willen Gottes Apostel Christi Jesu, und der Bruder Timotheus an die Gemeinde Gottes in Korinth samt allen Heiligen in ganz Achaia.1
2 Gnade euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.2

Dank für Gottes Trost

3 Gepriesen sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Erbarmungen und Gott allen Trostes!3#
4 Er tröstet uns in all unserer Bedrängnis, damit wir auch andere in jeder Art von Bedrängnis trösten, durch den Trost, mit dem wir von Gott getröstet werden.4
5 Denn wie die Leiden Christi sich reichlich über uns ergießen, so strömt durch Christus auch reichlicher Trost auf uns.5
6 Ob wir bedrängt werden, - es geschieht zu eurem Trost und Heil; ob wir getröstet werden, - es geschieht ebenfalls zu eurem Trost, der sich im standhaften Ertragen derselben Leiden auswirkt, die auch wir erdulden.6#
7 So steht unsere Hoffnung für euch fest, denn wir wissen, daß ihr wie an den Leiden, so auch am Trost Anteil habt.
8 Wir möchten euch, Brüder, nicht in Unkenntnis lassen über die Bedrängnis, die uns in Asien zugestoßen ist. Über die Maßen, über unsere Kraft hat sie uns betroffen, so daß wir sogar am Leben verzweifelten.78#
9 Ja, wir hatten uns schon das Todesurteil gesprochen, damit wir unser Vertrauen nicht auf uns selbst setzten, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt.9
10 Er hat uns denn auch aus so großer Todesgefahr errettet und wird uns fernerhin retten. Auf ihn haben wir unsere Hoffnung gesetzt, daß er uns auch weiterhin retten wird,10
11 zumal, da auch ihr durch euer Gebet für uns mithelft. Dann wird für uns Gott aus vieler Mund für die uns erwiesene Gnade ein vielfacher Dank erschallen.11

SELBSTVERTEIDIGUNG DES APOSTELS | Verteidigung gegen einzelne Verdächtigungen

Keine Zweideutigkeit

12 Denn dies ist unser Ruhm: das Zeugnis unseres Gewissens, daß wir in Heiligkeit und Lauterkeit Gottes und nicht in irdischer Weisheit, sondern in der Gnade Gottes in der Welt, zumal unter euch, gewandelt sind.12
13 Wir schreiben euch nichts anderes, als was ihr lest und auch versteht. Ich hoffe, ihr werdet vollkommen verstehen,#
14 wie ihr uns zum Teil schon verstanden habt, daß wir euer Ruhm sind und ihr der unsrige am Tag unseres Herrn Jesus.1314
15 In diesem Vertrauen wollte ich schon früher zu euch kommen, damit ihr noch ein zweites Mal Gnade empfinget.1516
16 Von euch aus wollte ich nach Mazedonien reisen, von Mazedonien zu euch wieder zurückkehren und mir von euch das Geleit nach Judäa geben lassen.17#
17 Habe ich etwa leichtfertig gehandelt, als ich diesen Plan faßte? Oder fasse ich meine Entschlüsse nach menschlichen Launen, so daß es bei mir ein Ja, Ja und zugleich ein Nein, Nein gibt?18#
18 So wahr Gott treu ist: Unser Wort an euch ist nicht Ja und Nein zugleich!19#
19 Denn der Sohn Gottes, Jesus Christus, den wir - ich, Silvanus und Timotheus - euch verkündet haben, war nicht Ja und Nein zugleich, sondern in ihm ist das Ja verwirklicht.#
20 Sämtliche Verheißungen Gottes haben in ihm ihr Ja gefunden. Darum erklingt durch ihn auch das Amen, Gott zum Lob durch uns.20#
21 Gott ist es, der uns mit euch in Christus gefestigt, der uns gesalbt,21#
22 der uns auch sein Siegel aufgedrückt und den Geist als Unterpfand in unser Herz gegeben hat.22

Liebevolle Rücksicht

23 Ich rufe Gott zum Zeugen gegen mich an, daß ich, nur um euch zu schonen, nicht mehr nach Korinth gekommen bin.23#
24 Nicht daß wir Herren wären über euren Glauben, sondern Mitarbeiter an eurer Freude. Im Glauben steht ihr ja.24
1 ℘ 1Kor 1, 1f;1Kor 16, 10;Phil 1, 1
2 ℘ +Röm 1, 7++
3 ℘ Eph 1, 3;1Petr 1, 3;Röm 12, 1;Röm 15, 5;Ps 103, 13;Dan 9, 9
4 ℘ 2Kor 7, 6
5 ℘ 2Kor 4, 10f;Kol 1, 24
6 ℘ 2Kor 4, 12. 15. 17
7 V. 8 - 10: Handelte es sich hier um den sog. Demetriusaufstand, vgl. Apg 19, 23 - 40 - oder um den Kampf mit "wilden Tieren", von dem der Apostel in 1Kor 15, 32 berichtet?
8 ℘ 2Kor 4, 8;2Kor 7, 5;Apg 19, 23;1Kor 15, 32
9 ℘ Phil 2, 27;Röm 4, 17
10 ℘ 2Tim 4, 18
11 ℘ +Röm 15, 30++;Phil 1, 19;2Kor 4, 15;2Kor 9, 11
12 ℘ +Apg 23, 1++;2Kor 2, 17;1Kor 1, 17;1Kor 2, 13
13 "Tag unseres Herrn Jesus" - Tag des Gerichtes.
14 ℘ 2Kor 3, 2f;2Kor 5, 12;Phil 2, 15f
15 V. 15 - 16: Entgegen dem ursprünglichen Plan (vgl. 1Kor 16, 5 - 9) wollte Paulus Korinth zweimal besuchen: auf der Hinreise nach und auf der Rückreise von Mazedonien. Wegen der Vorfälle in Korinth war aber Paulus von Ephesus aus direkt nach Korinth gereist, wo eine einflußreiche Gruppe gegen ihn agierte und einer ihn sogar persönlich schwer beleidigte. Unverrichteter Dinge kehrte Paulus nach Ephesus zurück und schickte Titus (mit einem verlorengegangenen? oder in den vorliegenden ganz oder teilweise eingearbeiteten? Brief) nach Korinth, der einen Umschwung in der Gemeinde bewirkte. Titus berichtete darüber Paulus in Mazedonien, wohin dieser gemäß seinem ursprünglichen Plan gereist war. Von dort schrieb Paulus diesen Brief, von dort wollte er auch ein drittes Mal nach Korinth kommen (vgl. 2Kor 12, 14).
16 ℘ Röm 15, 29
17 ℘ 1Kor 16, 5f
18 ℘ Jak 5, 12;Mt 5, 37
19 ℘ +1Kor 10, 13++
20 ℘ 1Kor 14, 16;Offb 3, 14
21 ℘ +1Joh 2, 27++
22 ℘ 2Kor 5, 5;Eph 1, 13f;Röm 8, 16. 23
23 ℘ 2Kor 11, 31;2Kor 12, 20f;+Röm 1, 9++
24 ℘ 2Kor 4, 5;1Petr 5, 3;2Kor 6, 1;1Kor 3, 9;Phil 4, 4;+1Joh 1, 3f++;+1Kor 15, 1++