Eph 1

Einführung in den Brief an die Epheser





A - Weil der Brief in den ältesten Handschriften keinen Adressaten nennt, weil es auch unwahrscheinlich ist, daß Paulus den Ephesern (s. zu Apg 18,24 B), bei denen er drei Jahre gelebt hatte, einen so »;unpersönlichen« Brief geschrieben hätte, weil ferner die Empfänger (Heiden) anscheinend noch nicht lange Christen und dem Apostel persönlich unbekannt sind, weil schließlich Tychikus (Eph 6, 21f) diese Gemeinden bereiste, von dem wir wissen, daß er von Paulus nach Kolossä gesandt wurde (Kol 4, 7 - 9) - aus diesen Gründen darf man wohl annehmen, daß es sich bei diesem sogenannten »;Epheserbrief« um ein Schreiben an die von Epaphras (Kol 4, 13) betreuten Kirchen von Kolossä, Laodizea und Hierapolis handelt, also an die Christen in Phrygien, im Süden der römischen Provinz Asia (s. zu Apg 2,6-12 B) in der heutigen Türkei. Wahrscheinlich ging der Brief in Abschriften von Gemeinde zu Gemeinde (Kol 4, 16!) und kam wegen seiner Bedeutung schließlich auch nach dem entfernteren, ursprünglich aber nicht zu den Adressaten zählenden Ephesus, das verständlicherweise seinen Namen in den Kopf seiner Abschrift einfügte.



B - Wenn überhaupt, dann hat Paulus diesen Brief in seiner Gefangenschaft zu Rom (61-63?) geschrieben (s. Einleitung C), wo ihn vermutlich die Nachricht erreichte, die phrygischen Gemeinden seien in Gefahr, in den Einfluß einer falschen jüdisch-christlichen Gnosis (s. zu Joh 3,1-21) zu geraten. Diese Vermutung erklärt am besten den eigentümlichen Charakter dieses Briefes, dessen Stil weit mehr als in den anderen Paulusbriefen durch lange Sätze, Vorliebe für Relativ- und Partizipialkonstruktionen, durch die Häufung von Genitivverbindungen und den Reichtum an Beifügungen und sinnverwandten Wörtern (Synonyma) im ganzen leicht übersteigert wirkt, in etwa »;hymnisch« ist und an liturgische Texte erinnert: einen ähnlichen Eindruck hinterlassen auch die uns bekannten gnostischen Schriften.



C - Aber auch die Sprache, dem Kolosserbrief verwandt, scheint in ihrem Vokabular, ihren Vorstellungen und Begriffen Ausdrucksformen des gnostischen Predigers aufzunehmen und zu versuchen, sie - so »;taufend« - der Verkündigung christlicher Gehalte dienstbar zu machen. Hierher gehören die »;Äonen« und »;Himmel«, die von »;Mächten und Gewalten« beherrscht sind, die neue und vertiefte Auffassung Christi als des »;Urmenschen«, dessen »;Leib« wir sind. Hierher gehören die »;Eingeweihten«, denen Paulus in dieser »;Weisheitsrede« das »;Mysterium« anvertraut.



D - Damit haben wir schon den Gehalt dieses Briefes berührt. Es scheint, als habe Paulus gegen Ende seines Lebens auf Grund neuer mystischer Erfahrungen eine vertiefte Auffassung des Christusgeheimnisses gewonnen: über den historischen Christus, über den des Alten und Neuen Bundes, über den Christus der Juden und Heiden - gerade diese im Brief immer wieder erörterte paulinische Einsicht ist der Ausgangspunkt für die neue Auffassung - hinaus schaut er den, der das All erfüllt, der nicht nur Haupt der Kirche, sondern der Menschheit, nicht nur Herr unserer Zeit, sondern aller Weltäonen ist, mit einem neueren Wort: Paulus ist Christozentriker (s. zu Eph 1,10) geworden, er sieht in Kosmos und Geschichte konsequenter als vorher (wenn auch fast alle Elemente dieser Schau schon anderswo bei Paulus anklingen) nur noch ein Mysterium: Christus.





DER BRIEF DES HL. PAULUS AN DIE EPHESER

Gruß

1 Paulus, durch den Willen Gottes Apostel Christi Jesu, an die Heiligen zu Ephesus und die Gläubigen in Christus Jesus.12
2 Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.3

WOHLTAT DER ERLÖSUNG

Lobpreis der Gnade Gottes

3 Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus! Er hat uns in Christus mit allem geistlichen Segen im Himmel gesegnet.4
4 In ihm hat er uns schon vor Erschaffung der Welt auserwählt, daß wir heilig und untadelig vor ihm seien in der Liebe.5#
5 Er hat uns nach seinem freien Willensentschluß durch Jesus Christus zu seinen Kindern vorherbestimmt -6#
6 zum Preis der Herrlichkeit seiner Gnade, mit der er uns durch seinen geliebten (Sohn) begnadet hat.7
7 In ihm besitzen wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden dank dem Reichtum seiner Gnade,8
8 die er samt aller Weisheit und Einsicht in Fülle auf uns überströmen ließ.9
9 Hat er uns doch das Geheimnis seines Willens kundgetan gemäß seinem im voraus gefaßten Ratschluß,10#
10 den er in der Fülle der Zeiten auszuführen beschlossen hatte: alles im Himmel und auf Erden in Christus zusammenzufassen.11#
11 In ihm sind wir auch ausersehen worden, nach dem Plan dessen vorherbestimmt, der alles nach dem Ratschluß seines Willens vollbringt.1213
12 So sollen wir, die wir schon längst unsere Hoffnung auf Christus gesetzt haben, zum Lob seiner Herrlichkeit dienen.
13 In ihm seid auch ihr mit dem verheißenen Heiligen Geist besiegelt worden, nachdem ihr das Wort der Wahrheit, die frohe Botschaft von eurem Heil, vernommen und daran geglaubt habt.1415
14 Er ist das Angeld unseres Erbes - bis die Erlösung seines Eigentums vollzogen ist, zum Lob seiner Herrlichkeit.16

Größe des Erlösungswerkes

15 Seitdem ich von eurem Glauben an den Herrn Jesus und von eurer Liebe zu allen Heiligen vernommen habe,
16 höre ich darum nicht auf, euretwegen zu danken, wenn ich in meinen Gebeten euer gedenke.17
17 Möge der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, euch den Geist der Weisheit und Offenbarung verleihen, ihn recht zu erkennen.18
18 Möge er die Augen eures Herzens erleuchten, damit ihr einseht, zu welcher Hoffnung ihr berufen seid, wie reich das herrliche Erbe für die Heiligen ist19
19 und was die überwältigende Größe seiner Macht an uns, die wir gläubig geworden sind, durch das Wirken seiner Kraft und Stärke erweist.20
20 Sie hat er wirksam werden lassen an Christus, als er ihn von den Toten auferweckte und ihm den Platz zu seiner Rechten im Himmel gab:21
21 erhaben über alle Herrschaften, Gewalten, Kräfte und Mächte und was sonst noch für Namen genannt werden, nicht nur in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen.2223#
22 Alles hat er ihm zu Füßen gelegt. Ihn hat er als Oberhaupt über die ganze Kirche gesetzt.2425#
23 Sie ist sein Leib, erfüllt von ihm, der alles mit allem erfüllt.2627
1 ℘ 1Tim 1, 3;2Tim 1, 18;2Tim 4, 12;Offb 1, 11;Offb 2, 1;1Kor 1, 2;Kol 1, 1f
2 Synopse: Eph 1, 1 - 2 # Apg 18, 19 - 24 # Apg 19, 19, 1 - 20 # Apg 19, 23 - 40
3 ℘ +Röm 1, 7++
4 ℘ 2Kor 1, 3;1Petr 1, 3;Gal 3, 14
5 ℘ +Joh 13, 18++;Joh 17, 24;1Petr 1, 20;Eph 5, 27;Röm 8, 29
6 ℘ Joh 1, 12;1Joh 3, 1
7 ℘ Mt 3, 17;Kol 1, 13
8 ℘ Kol 1, 14. 20;Röm 3, 25;Hebr 9, 22;Eph 1, 18;Eph 2, 7;Eph 3, 8. 16
9 ℘ Kol 1, 9
10 ℘ Eph 3, 9;Röm 16, 25
11 ℘ +Gal 4, 4++;Tit 1, 3;Kol 1, 16. 20
12 "... ausersehen" - wörtlich: "ausgelost". - Schon das Alte Testament wußte, daß der Dialog mit Gott nicht vom Menschen ausgeht (vgl. z.B. Gen 12, 1 - 5). Die Initiative liegt beim berufenden und erwählenden Gott. Religion ist Antwort auf den Ruf Gottes - ihn zu überhören führt ins Nichts.
13 ℘ Kol 1, 12;Eph 3, 11;Röm 8, 28;1Kor 12, 6
14 Urkunden werden zum Zeichen ihrer Zugehörigkeit, Echtheit und Sicherheit versiegelt; Sklaven trugen in der Antike das Kennzeichen ihren Herrn, Kultdiener das Merkmal ihrer Gottheit, ähnlich dem Brandmal, mit dem Besitzer ihre Herde kennzeichneten. - Im Targ. HL 3,8 heißt es: "Jeder von ihnen hatte das Siegel der Beschneidung an seinem Fleisch, gleichwie es dem Fleisch Abrahams aufgeprägt war." - Im sog. "Taufcharakter" sieht die Kirche das Siegel Gottes durch den Heiligen Geist, das Zeichen göttlicher Inbesitznahme.
15 ℘ Kol 1, 5f;1Tim 2, 4;Eph 4, 30;+Gal 3, 2++
16 ℘ 2Kor 1, 22;2Kor 5, 5;Röm 8, 16. 23
17 ℘ Röm 1, 8f;1Kor 1, 4;Kol 1, 3f;Phlm 4f
18 ℘ 1Kor 2, 5;Kol 1, 9f
19 ℘ Mt 6, 22;Eph 4, 4;Kol 1, 5. 12. 27;+Röm 9, 23++;+Eph 1, 7++;Apg 20, 32
20 ℘ Eph 3, 20;2Kor 13, 4;Kol 1, 11;Kol 2, 12
21 ℘ 1Petr 1, 21;Eph 2, 2;Eph 3, 10;Eph 6, 12
22 "Herrschaften...Mächte" - spätjüdische Bezeichnungen für Engelgruppen.
23 ℘ Röm 8, 38f;1Kor 15, 24;Kol 1, 13. 16;Kol 2, 10. 15;1Petr 3, 22;Hebr 2, 5;2Petr 2, 10;+Mt 28, 18++
24 Vgl. Ps 8, 6 - 9.
25 ℘ +1Kor 11, 3++;Kol 1, 17f;Hebr 8, 6
26 Als "Haupt" soll Christus die Kirche und durch sie die ganze Menschheit in den göttlichen Lebensraum einbeziehen, der vom Geist Gottes bestimmt ist.
27 ℘ +Röm 12, 5++;Eph 4, 12;Eph 5, 30;Kol 1, 17f;Kol 1, 24;Kol 2, 17;+Kol 1, 19++