Phil 1
Einführung in den Brief an die Philipper
A - Unter den sogenannten »;Gefangenschaftsbriefen« (Eph, Kol, Phil, Phlm) nimmt der Brief an die Philipper (s. zu Apg 16,12) eine Sonderstellung ein: Während der Epheser- (s. Eph B) und der Kolosserbrief (s. Kol A) sowohl thematisch wie auch stilistisch einigermaßen eine Einheit bilden, die sich deutlich von jener der Hauptbriefe (Röm, 1 und 2Kor, Gal) abhebt, steht der Philipperbrief letzteren noch so nahe, daß sich von daher schon die Frage aufdrängt, ob als Verfassungszeit dieses Briefes wie für die beiden anderen großen Gefangenschaftsbriefe die römische Gefangenschaft des Paulus (62/63?) angenommen werden kann.
B - In letzter Zeit gewinnt deshalb die Hypothese an Boden, Paulus habe diesen Brief während seines Aufenthaltes in Ephesus (54-57), näherhin um 56-57 geschrieben. Daß die Apostelgeschichte nichts von einer Gefangenschaft des Paulus in Ephesus berichtet, ist kein Gegenargument: Ihr Verfasser ist nicht auf historisch-biographische Vollständigkeit bedacht, sondern auf eine geistlich-theologische Biographie des Paulus und schildert den Ephesus-Aufenthalt trotz Erwähnung der Krisen als Triumphzug des Apostels (s. zu Apg 18,24-19,40). In 2Kor 11, 23 schaut Paulus jedenfalls bereits auf »;viel mehr Gefangenschaften« zurück, als im urchristlichen Schrifttum erwähnt werden, und 1Kor 15, 32;2Kor 1, 8 spielen auf gefährliche Situationen in Ephesus an. Gegen die römische Gefangenschaft als Abfassungszeit des Philipperbriefes sprechen ferner die persönlichen Boten (Timotheus und Epaphroditus), von denen Paulus spricht; sie konnten leichter zwischen Ephesus und Philippi (Achttagereise) verkehren als zwischen Rom und Philippi (eine Monatsreise). Auch daß Paulus einen eigenen Besuch ankündigt, deckt sich nicht mit den Reiseplänen des Römerbriefes, ebenso ist es unwahrscheinlich, daß Paulus bis zur römischen Gefangenschaft nur zweimal von den Philippern unterstützt worden ist, hat er sich doch allein auf der dritten Missionsreise noch zweimal in Philippi aufgehalten.
C - Die von Paulus erwähnten Gegner sind vermutlich christliche Gnostiker judaistischer Tendenz, wie wir sie bereits aus dem zweiten Korintherbrief kennen (s. 2Kor C). Einerseits rühmen sie sich ihres Judentums (ihrer Beschneidung), das ihrer »;Erkenntnis« durch das Alte Testament einen entscheidenden Vorsprung vor heidnischen Gnostikern verleiht, andererseits können sie sich als »;Christen«, die als »;Auferstandene« nicht mehr unter dem »;Gesetz« des Leibes stehen, zugleich libertinistische Tendenzen bis zur sittlichen Ausschweifung leisten.
D - Doch der Grundtenor des Briefes ist nicht von Auseinandersetzung bestimmt, sondern von Freude und Dank des Apostels, in einer persönlich schwierigen Situation sich einer Gemeinde so sicher zu sein. Im Gegensatz zu Korinth war die Autorität des Apostels in Philippi unbestritten, ohne daß sie als solche in Erscheinung treten mußte. Es handelte sich vielmehr um ein inniges Vertrauensverhältnis, so daß sich Paulus auch gern von dieser Gemeinde finanziell unterstützen ließ. Vor allem aber wußte er, daß die Philipper seine Theologie von Kreuz und Auferstehung, vom Martyrium und der daraus erwachsenden Ausbreitung des Glaubens verstehen und ihm nachzuleben bereit waren. Gerade um dieses gemeinsame Glaubensfundament, das Christus selbst ist, und um Christi Nachfolge zu schützen, kommt es zu den plötzlichen harten Ausfällen gegen falsche »;Apostel«, die sich auch Philippi zu nähern scheinen.
E - Den Philipperbrief als eine Zusammenfassung dreier Kurzbriefe an die Philipper zu verstehen, ist eine nicht sehr wahrscheinliche Hypothese. Auf jeden Fall aber haben wir es mit authentischen Aufzeichnungen des Paulus zu tun, in denen er, vom Vertrauen der Adressaten getragen, seiner Auferstehungsfreude gerade im Angesicht des Todes persönlichsten Ausdruck verliehen hat. Der Brief ist uns nicht zuletzt teuer wegen des urchristlichen Hymnus, den Paulus eingearbeitet hat (Phil 2, 6 - 11) und der uns einen Einblick in die frühe Christologie erlaubt.
DER BRIEF DES HL. PAULUS AN DIE PHILIPPER
Gruß
1 Paulus und Timotheus,
Knechte Christi Jesu, an
alle Heiligen in Christus Jesus zu Philippi samt ihren
Bischöfen und Diakonen.
123
2 Gnade euch und Friede von Gott unserem Vater und dem
Herrn Jesus Christus.
4
Danksagung und Fürbitte
3 Ich
danke meinem Gott,
sooft ich
euer gedenke.
5
4 Allezeit flehe ich in jedem meiner Gebete mit Freude für euch alle
5 wegen eurer Teilnahme am Evangelium vom ersten Tage an
bis jetzt.
6
6 Ich
vertraue darauf,
daß der,
der das
gute Werk in euch begonnen hat, es auch
vollenden wird
bis zum
Tag Christi Jesu.
78
7 Es
ist ja nur
recht und billig für
mich,
so von euch allen zu
denken.
Denn ich
habe euch in mein Herz geschlossen, die
ihr alle an
meiner Gnade Anteil habt,
ob ich nun
in Fesseln liege
oder das
Evangelium verteidige und bekräftige.
910
8 Gott ist mein Zeuge,
wie ich mich
in der innigsten
Liebe Christi Jesu nach
euch allen sehne.
11
9 Darum bete ich,
daß eure Liebe immer mehr zunehme an Erkenntnis und jeglichem Verständnis,
12
10 damit ihr die richtige
Entscheidung zu treffen
vermögt. Dann werdet ihr
am Tag Christi lauter und ohne
Tadel dastehen,
13#
11 durch Jesus Christus voll der
Frucht der
Gerechtigkeit,
zur Ehre und zum
Lob Gottes.
14
PERSÖNLICHE NACHRICHTEN DES APOSTELS
Stand der Mission - Die persönliche Lage des Apostels
12 Ich
möchte euch wissen lassen,
Brüder,
daß meine
Lage dem
Evangelium eher zum Vorteil gereicht hat.
1516
13 Im ganzen Prätorium und bei
allen übrigen wurde bekannt,
daß ich
meine Fesseln um Christi willen trage.
1718
14 Die
meisten Brüder wurden durch
meine Fesseln im Herrn ermutigt und
wagen immer
mehr, das
Wort Gottes furchtlos zu
verkünden.
19#
15 Die
einen freilich predigen Christus aus Neid und Streitsucht, die
anderen aber in guter
Absicht.
20
16 Die einen predigen Christus aus Liebe, wissend, daß ich zur Verteidigung des Evangeliums bestellt bin;
17 die anderen
aus Eigennutz,
nicht redlich; sie
meinen, sie sollten trotz
meiner Fesseln meine
Bedrängnis noch
vergrößern.
21
18 Was soll´s?
Wenn nur auf
jede Weise Christus verkündet wird,
ob mit
Hintergedanken oder in
Wahrheit.
Darüber freue ich mich! - Darüber werde ich mich
auch in Zukunft
freuen,
22#
19 denn ich
weiß,
daß mir dies durch euer Gebet und durch den
Beistand des
Geistes Jesu Christi zum Heil dienen wird,
23
20 gemäß meiner festen
Erwartung und Hoffnung,
daß ich
in nichts zuschanden werde, daß
vielmehr Christus vor aller Welt -
wie immer, so
auch jetzt -
an meinem Leib verherrlicht wird:
sei es
durch mein
Leben,
sei es
durch meinen
Tod.
24
21 Denn für
mich ist
Christus das Leben,
und Sterben ist für mich
Gewinn.
25
22 Soll ich
weiterhin leben, so bedeutet
das für
mich fruchtbare Arbeit, -
und ich
weiß nicht,
was ich
wählen soll!
26
23 Es
zieht mich
nach beiden
Seiten hin: Ich
habe das
Verlangen,
aufzubrechen und bei Christus zu
sein;
denn das wäre
weitaus das
beste,
2728#
24 aber euretwegen ist das Verbleiben im Fleisch notwendiger, -
25 und ich weiß zuversichtlich, daß ich zu eurem Fortschritt und zu eurer Freude im Glauben bei euch allen bleiben und verbleiben werde,
26 damit durch meine erneute Anwesenheit bei euch euer Rühmen durch mich überreich sei
in Christus Jesus.
29
Ermahnung zur Eintracht
27 Wandelt nur würdig des
Evangeliums Christi! -
Mag ich
kommen und euch sehen oder fern sein: ich möchte
von euch hören,
daß ihr
in einem Geist feststeht,
einmütig für den
Glauben an das
Evangelium kämpft30
28 und euch
in keiner
Weise von den Widersachern einschüchtern laßt;
das ist für
sie ein
Zeichen dafür, daß sie dem
Verderben zulaufen,
ihr aber dem
Heil entgegengeht, -
und das durch Gottes Tun.
31
29 Denn euch ist
geschenkt worden,
nicht bloß an Christus zu
glauben,
sondern auch für ihn zu
leiden.
32#
30 Ihr
habt ja den
gleichen Kampf zu bestehen,
wie ihr ihn
an mir gesehen habt
und jetzt von mir hört.
33