2Makk 1

Einführung in das zweite Buch der Makkabäer





Blutzeugen



Dem voranstehenden Geschichtswerk über die Taten der Makkabäer folgt dieses zweite jüngere Werk, das nur den ersten Abschnitt des dort erfaßten Zeitraumes umspannt (bis 161 v.Chr.). Von vornherein in griechischer Sprache geschrieben, unterscheidet es sich vom ersten Makkabäerbuch äußerlich vor allem durch seinen überschwenglich-pathetischen Stil und seine mehr bewegend-erbauliche Zielsetzung. Es steht aber auch deswegen als einmalige Erscheinung im alttestamentlichen Schrifttum da, weil es nichts anderes ist als eine Art Auszug oder Zusammenfassung eines anderen größeren, ebenfalls in griechischer Sprache geschriebenen Werkes von fünf Büchern, das einen gewissen Jason von Zyrene zum Verfasser hat. (Dieses größere Werk ist verlorengegangen.) In einem Vorwort weist der unbekannte Verfasser des Auszugs ausdrücklich auf diese Sachlage hin, wobei er betont, daß der Verfasser des größeren Werkes die letzte Verantwortung für die geschichtliche Darstellung trage. Indem freilich er selbst sie übernimmt, gibt er doch zu verstehen, daß auch er von ihrer Richtigkeit überzeugt ist.



Im Mittelpunkt dieses zweiten Makkabäerbuches stehen die Schicksale des Tempels zu Jerusalem, um den sich das treue Volk Gottes schart. Zu den Gestalten der Kriegshelden treten die nicht minder heldenhaften Gestalten der Dulder, die bereit sind, lieber Qualen und Tod auf sich zu nehmen als den Glauben zu verleugnen und Gottes Gesetz zu übertreten. Dabei werden der Glaube an die Auferstehung und die Hoffnung auf die jenseitige Vergeltung klar und deutlich ausgesprochen.



Der oben erwähnte pathetische Stil, wie er vor allem in der Ausmalung wunderbarer Begebenheiten und in der Ausdeutung der verschiedenartigen Schicksale hervortritt, läßt erkennen, daß in diesem Buch - trotz der genauen geschichtlichen Berichte, die das im ersten Makkabäerbuch Erzählte vielfach ergänzen - doch eine besondere Art erbaulich ausgerichteter Geschichtserzählung geboten werden soll.

Das zweite Buch der Makkabäer

Einleitungsbriefe

Drei Briefe

1 "Den jüdischen Brüdern in Ägypten unseren Gruß. Die jüdischen Brüder in Jerusalem und Judäa wünschen euch Frieden und Heil.1
2 Möge Gott euch Segen spenden und seines Bundes mit Abraham, Isaak und Jakob, seinen treuen Dienern, eingedenk sein!
3 Er schenke euch allen ein Herz, das ihn fürchtet und seinen Willen wohlgemut und bereitwillig erfüllt.
4 Er erschließe euch den Sinn für sein Gesetz und seine Gebote und schaffe euch Frieden!
5 Er erhöre eure Gebete, wende euch seine Huld zu und verlasse euch nicht in der Zeit der Not!
6 So beten wir allhier für euch."
7 "Unter der Regierung des Königs Demetrius, im Jahr 169, haben wir Juden euch geschrieben, in jenen Jahren härtester Drangsal, die über uns hereinbrach, als Jason und sein Anhang vom Heiligen Land und vom Königtum abtrünnig wurden.23
8 Man verbrannte die Tempelpforten und vergoß unschuldiges Blut. Wir aber beteten zum Herrn und wurden erhört. Wir konnten wieder Brand- und Speiseopfer darbringen, die Lampen anzünden und die Schaubrote auflegen.4
9 So feiert denn die Tage des Laubhüttenfestes des Monats Kislew! - Geschrieben im Jahr 188. -"5
10 "Die Bewohner Jerusalems und Judäas samt dem Hohen Rat und Judas entbieten Aristobul, dem Lehrer des Königs Ptolemäus aus dem Geschlecht der gesalbten Priester, sowie den Juden in Ägypten Gruß und Heil.6
11 Aus großen Gefahren von Gott errettet, sagen wir ihm innigen Dank, da er so mächtig gegen den König aufgetreten ist.
12 Er war es, der die Feinde aus der Heiligen Stadt geworfen hat.7
13 Denn als der Fürst mit seinem scheinbar unüberwindlichen Heer nach Persien kam, wurde er im Heiligtum der Nanäa erschlagen. Die Priester der Nanäa wandten eine List an.8
14 Antiochus war nämlich unter dem Vorwand, sich mit der Göttin zu vermählen, dorthin gekommen. In Wirklichkeit aber wollte er sich nur die reichen Schätze als Mitgift aneignen.
15 Die Priester der Nanäa holten sie hervor. Als aber Antiochus mit wenigen Begleitern in den Tempelbezirk gekommen war, schlossen sie das Tempelhaus ab, sobald jener dort eingetreten war.
16 Dann öffneten sie in der Decke eine verborgene Tür, warfen Steine herab und zerschmetterten den Fürsten. Sie hieben die Leichen in Stücke und warfen die Köpfe den Draußenstehenden zu. -
17 Unser Gott sei gepriesen, der so die Gottlosen preisgegeben hat! -
18 Wir gedenken, am 25. Kislew die Tempelreinigung zu feiern. Da halten wir es für unsere Pflicht, euch dies mitzuteilen, damit auch ihr das Laubhüttenfest sowie das Feuerfest begeht, und zwar, weil Nehemia den Tempel und den Brandopferaltar wieder aufbaute und Opfer darbrachte.9
19 Als nämlich unsere Väter nach Persien abgeführt wurden, nahmen die frommen Priester heimlich etwas vom Feuer des Brandopferaltares und verbargen es in einer leeren Brunnenhöhlung. Darin verwahrten sie es so, daß der Ort allen unbekannt blieb.10
20 Nach Verlauf von vielen Jahren gefielt es Gott, daß Nehemia vom Perserkönig hergesandt wurde. Dieser hieß nun die Nachkommen der Priester, die das Feuer verborgen hatten, danach zu forschen.
21 Aber sie berichteten uns, kein Feuer, sondern nur schlammiges Wasser gefunden zu haben. Darauf ließ er sie davon schöpfen und bringen. Als nun alles zum Opfer bereit war, hieß Nehemia die Priester das Holz und was darauf lag, mit dem Wasser zu begießen.
22 Dies geschah. Und als nach einiger Zeit die Sonne, die bis dahin von Wolken verdeckt war, hell schien, loderten gewaltige Flammen auf, so daß alle staunten.
23 Während sich das Opfer verzehrte, verrichteten die Priester ein Gebet. Jonatan stimmte an. Die Priester und alle übrigen beteten gleich Nehemia mit.
24 Das Gebet lautete: >Herr, Herr und Gott, du Schöpfer des Weltalls, du Furchtbarer, Gewaltiger, Gerechter und barmherziger, alleiniger König, Gütiger,
25 einziger Lebensspender, allein Gerechter, Allherrscher, Ewiger, der du Israel aus aller Not befreist und unsere Väter auserwählt und geheiligt hast:
26 Nimm diese Opfer an für dein ganzes Volk! Schütze und heilige dein Erbteil!
27 Führe uns wieder zusammen aus der Zerstreuung! Befreie die in heidnischer Knechtschaft Schmachtenden! Laß die Heiden erkennen: du bist unser Gott!
28 Strafe, die uns unterdrücken und in ihrem Übermut verhöhnen!
29 Pflanze dein Volk wieder an deinen heiligen Ort, wie Mose verheißen hat!<11
30 Dazu sangen die Priester Loblieder.
31 Als das Opfer gänzlich verbrannt war, ließ Nehemia das übrige Wasser über große Steine gießen.
32 Als das geschehen war, entzündete sich eine Flamme, die aber durch das vom Altar wiederaufleuchtende Feuer verzehrt wurde.
33 Dies wurde bekannt, und man berichtete auch dem Perserkönig, daß an dem Ort, wo die weggeführten Priester das Feuer verborgen hatten, nunmehr Wasser zum Vorschein gekommen sei, mit dem die Leute des Nehemia die Opfer geweiht hätten.
34 Nachdem der König die Sache geprüft hatte, ließ er die Stelle einfrieden und als heilig erklären.
35 Er gab denen, die sein Wohlwollen hatten, reichliche Geschenke und nahm auch solche entgegen.
36 Die Leute des Nehemia nannten das Wasser >Neftar<, das heißt >Reinigung<. Bei den meisten aber heißt es >Neftai<.12
1 Seit jeher war Ägypten nicht nur das Land der Knechtschaft, sondern auch der Zuflucht (vgl. z.B. 1Kön 11, 40;Jer 43, 1 - 3. 7). Auswanderer und Flüchtlinge gründeten in Ägypten Gemeinden; die am besten bekannte von ihnen in Elefantine ist schon seit dem Anfang des sechsten vorchristlichen Jahrhunderts bezeugt. Um 170 v.Chr. errichtete Onias IV., der Sohn des in Daphne ermordeten Onias III. (vgl. die Anm. zu 2Makk 4, 33 - 34) in Leontopolis einen Tempel, eine verkleinerte Nachbildung des Tempels von Jerusalem. In Ägypten entstand auch die >Septuaginta<, die Übersetzung des Alten Testamentes in die griechische Sprache. Das zweite Makkabäerbuch will die Kultgemeinschaft mit den Juden in Ägypten festigen.
2 Nach unserer Zeitrechnung im Jahre 143 v.Chr. - Der hier erwähnte Brief ist verloren gegangen.
3 ℘ 1Makk 10, 67;2Makk 10, 7 - 22
4 ℘ 1Makk 4, 38
5 Nach unserer Zeitrechnung im Jahre 124 v.Chr. - Mit dem hier erwähnten (>kleinen<) Laubhüttenfest ist das Tempelweihfest (1Makk 4, 59) gemeint, das im >Kislew< (November/Dezember) auf ähnliche Weise wie das (>große<) Laubhüttenfest im Monat >Tischri< (September/Oktober) begangen wurde (vgl. 2Makk 10, 6).
6 >Judas< - gemeint ist Judas Makkabäus. - >Aristobul< war ein in Alexandrien zur Zeit des Ptolemäus VI. Philometor (181 - 145 v.Chr., dem er sein Werk auch widmete) lebender jüdischer Philosoph und Schriftausleger, bekannt vor allem durch seine allegorische Auslegung der Mose-Bücher. Er versuchte zu beweisen, daß die griechischen Philosophen ihr Wissen aus der jüdischen Überlieferung geschöpft haben. Sein Werk ist nur in Zitaten bei Kirchenvätern erhalten geblieben.
7 ℘ 12 - 13 # 2Makk 9, 1 - 29
8 V. 13 - 16: Hier wird das erste unbestimmte Gerücht über den Untergang des Königs Antiochus, das nach Jerusalem kam und dort Glauben fand, wiedergegeben; vgl. dazu auch 2Makk 9, 8 - 12. 28f. - >Nanäa< war der vorsemitische Name der Göttin Ischtar, die mit der griechischen Artemis identisch war (Antiochus IV. wollte den Artemis-Tempel in Elymaïs berauben, vgl. 1Makk 6, 1 - 4).
9 Der >25. Kislew< ist nach unserer Zeitrechnung der 15. Dezember.
10 ℘ Lev 6, 5f
11 ℘ Dtn 30, 3 - 5
12 >Neftar/Neftai< - Erdöl (Naphtha).