Sach 1

Einführung in das Buch Sacharja





Das Kommen des neuen Gottesreiches



Nicht nur im Zwölfprophetenbuch folgt Sacharja unmittelbar auf Haggai. Auch im wirklichen Verlauf der Geschichte sind beide Propheten kurz nacheinander in Jerusalem aufgetreten. Das Nah-Ziel ihrer Verkündigung, der Wiederaufbau des Tempels, ist beiden ebenfalls gemeinsam. Jedoch ist der Rahmen der Reden des Sacharja weiter gespannt. Im Wiederaufbau des Tempels, um den sich unter dem Hohenpriester Jeschua eine neue Gemeinde sammelt, sieht er bereits die greifbaren Vorzeichen für das Kommen des neuen Gottesreiches. Sacharja hat auch länger gewirkt als sein unmittelbarer prophetischer Vorgänger; umfassen doch die in seinem Büchlein (Sach 1 - 8) zusammengefaßten Reden einen Zeitraum von etwa zwei Jahren (520 - 518 v.Chr.). Es ist schwer zu entscheiden, ob in den sechs letzten Kapitel (Sach 9 - 14) des nach Sacharja



In der Art und Weise ihrer Verkündigung sind die beiden "Propheten des Wiederaufbaus" allerdings völlig voneinander verschieden. Erscheint Haggai, bei allem heiligen Ernst seiner Sendung, doch als nüchtern denkender Mann, dem es manchmal schwer fällt, das treffende und zündende Wort zu finden, so ist es dem Propheten Sacharja gegeben, seine Mitteilungen zuerst von Gott her als dramatische Visionen zu schauen und sie dann als solche mit den entsprechenden Verheißungen zu verkünden. Freilich wird in ihnen eine solch gedrängte Fülle sich überstürzender bildkräftiger Einzelheiten, meist in der Form symbolischer Veranschaulichungen, ausgeschüttet, daß es uns heute nicht mehr möglich ist, alle dahinter liegenden Gegebenheiten zu erkennen.



Noch deutlicher aber als für Haggai bedeutet der zu erbauende Tempel für Sacharja nur einen äußeren Mittelpunkt im neuen Gottesreich. Deshalb steht bedeutsam an der Spitze des Büchleins der Ruf zur Umkehr und Buße (Sach 1, 1 - 6). Und in der abschließenden Antwort auf die Fastenfrage (vgl. Sach 7§Sach 8) legt der Prophet noch einmal das ganze Gewicht des Gotteswortes in die Mahnung, sich innerlich zu bereiten auf den Anbruch der Heilszeit durch Wahrheit in Wort und Tat und durch die Liebe zum Nächsten.





Das Buch Sacharja

Das Kommen des neuen Gottesreiches

Einleitung: Mahung zur Buße

1 Im achten Monat, in zweiten Jahr des Darius, erging das Wort des Herrn an den Propheten Sacharja, den Sohn Berechjas, des Sohnes Iddos:12
2 "Heftig war der Herr gegen eure Väter erzürnt.
3 Sage nun zu ihnen: >So spricht der Herr der Heerscharen: Bekehrt euch zu mir<, - Spruch des Herrn der Heerscharen- >so werde auch ich mich wieder zu euch kehren<, spricht der Herr der Heerscharen!3
4 >Seid nicht wie eure Väter, denen die früheren Propheten zugerufen haben: So spricht der Herr der Heerscharen: Bekehrt euch von euren bösen Wegen und von euren bösen Taten! Aber sie hörten nicht und achteten nicht auf mich<, - Spruch des Herrn.
5 >Eure Väter - wo sind sie nun? Und die Propheten - leben sie ewig?4
6 Doch meine Worte und Beschlüsse, die ich meinen Knechten, den Propheten aufgetragen habe, - sind sie nicht eingetroffen bei euren Vätern, so daß sie sich bekehrten und sagten: Wie der Herr der Heerscharen beschlossen hatte, nach unserem Wandel und Tun mit uns zu verfahren, so ist er auch wirklich mit uns verfahren?<"5

Visionen vom Gottesreich

7 Am 24. Tag des elften Monats, das ist der Monat Schebat, im zweiten Jahr des Darius, erging das Wort des Herrn an den Propheten Sacharja, den Sohn Berechjas, des Sohnes Iddos, auf diese Weise:6

Erste Vision: Die vier Reiter

8 Ich hatte während der Nacht eine Vision: Siehe, da war ein Mann, der auf einem roten Pferd ritt. Er hielt zwischen den Myrten im Talgrund, und hinter ihm standen rotbraune, schwarze, gescheckte und weiße Pferde.78
9 Ich fragte: "Wer sind diese, mein Herr?" Der Engel, der mit mir redete, gab mir zur Antwort: "Ich will dir zeigen, wer diese sind."
10 Da gab der Mann, der zwischen den Myrten hielt, zur Antwort: "Das sind jene, die der Herr ausgesandt hat, die Erde zu durchstreifen."
11 Diese aber antworteten dem Engel des Herrn, der zwischen den Myrten hielt: "Wir haben die Erde durchstreift, und siehe, die ganze Erde ist ruhig und still."9
12 Der Engel des Herrn erwiderte: "Herr der Heerscharen, wann willst du dich endlich Jerusalems und der Städte Judas erbarmen, denen du siebzig Jahre schon zürnst?"10
13 Und der Herr gab dem Engel, der mit mir redete, freundliche, trostvolle Worte zur Antwort.

Der Wiederaufbau Jerusalems

14 Da sprach der Engel, der mit mir redete, zu mir: "Verkünde: >So spricht der Herr der Heerscharen: Ich brenne vor Eifer für Jerusalem, mit großem Eifer trete ich für Zion ein.11
15 Doch zürne ich auch mit grimmigem Zorn über die stolzen Völker, die, als ich ein wenig zürnte, noch mitgeholfen zum Unheil.12
16 Darum spricht der Herr: Voll Erbarmen wende ich mich Jerusalem zu: Mein Tempel soll dort wieder aufgebaut werden<, - Spruch des Herrn der Heerscharen - >und die Meßschnur soll ausgespannt werden über Jerusalem!<13
17 Ferner verkünde: >So spricht der Herr der Heerscharen: Meine Städte sollen aufs neue überfließen von Segen. Der Herr wird sich Zions aufs neue erbarmen und Jerusalem wieder erwählen.<"14
1 Aus der Datierung ergibt sich, daß Sacharja im Oktober/November des Jahres 520 v.Chr. unmittelbar nach Haggai aufgetreten ist (vgl. die Anm. zu Hag 1, 1).
2 ℘ Esra 5, 1;Esra 6, 14;Neh 12, 16;Hag 1, 1
3 ℘ Mal 3, 7;Jak 4, 8
4 V. 5 - 6: Der Sinn ist: Die Propheten, die früher Gottes Wort verkündet haben, und die Väter der jetzt lebenden Generation, an die Gottes Botschaft ergangen ist, sind gestorben. Doch der Inhalt der göttlichen Botschaft, deren Wahrheit auch die Väter erfahren haben, gilt nach wie vor. Sacharja beruft sich also auf die Autorität des früher ergangenen, aber unverändert gültigen Gotteswortes. So beginnt sich der Übergang von der unmittelbar verkündeten göttlichen Botschaft zum bereits festliegenden Gotteswort (in der >Schrift<) abzuzeichnen.
5 ℘ Ps 147, 15;Weish 18, 14f;Jes 55, 11;Jes 40, 7f
6 Der Monat >Schebat< entsprach der Zeit von Mitte Januar bis Mitte Februar (519 v.Chr.).
7 Mit den >Myrten im Talgrund< könnte eine damals allgemein bekannte Örtlichkeit in der Nähe Jerusalems gemeint sein. In der Vision stellt sich diese Stätte dem Propheten als Eingang zur himmlischen Welt dar. Von dort ziehen Gottes Boten aus, um Kunde über das irdische Geschehen einzuholen.
8 ℘ Sach 6, 1 - 8
9 Nach Hag 2, 6 - 9 sollten der Wiederherstellung des Tempels Erschütterungen als Vorboten der neuen Zeit vorausgehen.
10 Zu den >siebzig Jahren< vgl. Jer 25, 11;Jer 29, 10;Dan 9, 2.
11 ℘ Sach 8, 2
12 Die Völker, die als Gottes Werkzeuge das Strafgericht an Jerusalem vollzogen haben, stehen nun selbst unter Gottes Zorn, weil sie eigenmächtig ihren Auftrag überschritten haben (vgl. ähnlich Jes 10, 13 - 15;Hab 1, 11).
13 ℘ Sach 2, 5 - 9
14 ℘ Sach 2, 16