Apg 1
Einführung in die Apostelgeschichte
A - Das Buch trägt in den uns überkommenen Handschriften den Titel: Taten der Apostel (s. zu Mt 10,2 A). Enthalten die Evangelien vor allem, was »;Jesus tat und lehrte« (Apg 1, 1), so will diese Schrift von seinem Wirken in der Urkirche berichten, das aber heißt vorzüglich: vom Zeugnis der Apostel, auf das sich die Urgemeinde gründet. In diesem Sinne (und nicht in dem, als sei hier nur von den Aposteln und von allen die Rede) trägt das Buch seinen Titel zu Recht: Die spätapostolische Kirche schaut nicht mehr nur auf die unvergleichliche »;Zeit Jesu« (s. Lk B), sondern auch schon auf die einmalige, kirchegründende und -normierende »;Zeit der Apostel« zurück, und die »;Apostelgeschichte« (entstanden etwa in den Achtziger Jahren des 1. Jahrhunderts, s. Einleitung C) ist das Dokument dieser Selbstbesinnung der späteren Kirche. Dem gebildeten Leser jener Zeit fielen bei dem Titel »;Taten der Apostel« andere antike Geschichtswerke ein, etwa die »;Taten Alexanders« (des Großen, der das griechisch-asiatische Weltreich begründete, + 323 v. Chr.), geschrieben von Kallisthenes, einem Neffen des Aristoteles (der Alexander erzog), oder die »;Taten Hannibals« (des gefährlichen afrikanischen Gegners Roms, + 183 v. Chr.), verfaßt von seinem Gefährten und Lehrer Sosylus. Der Titel »;Taten der Apostel« demonstriert damit zugleich den Anspruch der Christen, Zeugen wichtiger Ereignisse der Weltgeschichte zu sein.
B - Der Verfasser der Apostelgeschichte stellt sich insofern selbst vor, als er sich in der Widmung an Theophilus zu einem anderen, dem Theophilus bekannten Werk bekennt: seinen Bericht über Jesus, also zu einem Evangelium (Apg 1, 1). Tatsächlich ist das von der Tradition dem Lukas zugeschriebene Evangelium auch einem Theophilus zugeeignet (s. zu Lk 1,3). So hat die gleiche Tradition denn auch, soweit wir sie zurückverfolgen können (bis etwa 180 n. Chr.), in Lukas (s. Lk A) den Verfasser der Apostelgeschichte gesehen.
C - Von daher wird noch einmal bestätigt, wie die Apostelgeschichte verstanden werden will: gewissermaßen als die Fortsetzung des Evangeliums in einer neuen Epoche des Christentums, da dieses bereits begriffen hat, daß die letzte Vollendung der Geschichte durch die Wiederkunft Christi noch lange ausstehen kann, so gewiß das Schicksal der Welt bereits entschieden ist und so nah der Herr auch seiner Kirche bleibt (s. zu Mt 24,43-44). Mit dem Abklingen der Naherwartung wächst die Einsicht, daß auch das Christentum eine Geschichte habe, und mit dieser Einsicht wächst das Bedürfnis nach einer Kirchengeschichte.
D - Diesem Bedürfnis kommt Lukas entgegen, indem er aus den spärlichen Quellen der Urkirche - die Kirche der Naherwartung war nur an Jesu Geschichte interessiert - , aus den mündlichen und vielleicht hier und da schriftlichen Überlieferungen der Gemeinden vom Wirken der Apostel, vor allem aber aus den Reiseberichten des Heidenmissionars Paulus, den Lukas zeitweilig begleitete, mit den Mitteln antiker »;Geschichtsschreibung« ein neues Ganzes gestaltet.
E - Der antike Historiker glänzt freilich nicht durch eine Fülle von Geschichtszahlen und durch Mitteilung aller nur möglichen Einzelheiten, mögen sie nun von Bedeutung sein oder nicht, sondern unter seinen Händen wird die Vergangenheit zu einem dramatischen Geschehen, an dem der Schriftsteller (und durch ihn der Leser) gleichsam selbst teilnimmt und dem er inneren Zusammenhang und tieferen Sinn verleiht. Unvergleichliches Vorbild solcher (zugleich heils-) geschichtlicher Darstellung bleibt für Lukas das Alte Testament. Mittel der Dramatisierung und Sinndeutung sind bei ihm vor allem die Reden (300 Verse von 1000), in denen mehr der Schriftsteller als der Redner zu Wort kommt, aber nicht im Sinne einer Verfälschung der geschichtlichen Situation, sondern um sie zu deuten und ihr Gewicht zu geben (s. zu Mt D;Mt 5,2;Mk 4,1-34;Lk C;Joh C). Darüberhinaus liebt Lukas die Szenengruppen, in denen sich bei steigender Spannung einzelne ausgeführte Szenen folgen und so dem Leser ein wichtig erscheinendes Ereignis vergegenwärtigen. Als Ruhepunkte dienen (wenigstens im ersten Teil der Apostelgeschichte 1-12) Sammelberichte (Summarien), die aus Einzelberichten die allgemeingültige Summe ziehen, den Zustand der kirchlichen Entwicklung andeuten und zugleich zu einer neuen überleiten (s. zu Apg 2,42-47;Mk 4,21-23. 24-25;Mk 3,7-12;Joh 2,12).
F - Doch genügt es nicht, in der Apostelgeschichte nur die erste gestaltete Kirchengeschichte zu sehen. Wenn sie ein »;Leben der Urkirche« sein will, wie das Lukasevangelium ein »;Leben Jesu« ist, dann muß auch die Apostelgeschichte ebenso als Verkündigung verstanden werden, wie die Evangelien Glaubenszeugnis und Glauben weckende Predigt sind (s. Einleitung H). Was Lukas der Kirche seiner Zeit sagen will, darf als Niederschlag der allgemeinen Verkündigung jener kirchlichen Phase betrachtet werden und läßt sich etwa dahin zusammenfassen: Die Entwicklung der Kirche von einer jüdischen »;Sekte« zur weltweit missionierenden Gemeinde ist letztlich nicht das Werk der Menschen, sondern Gottes: Christus mit seinem Wort und Gottes Geist leiten die Kirche, von ihnen geht alle Initiative aus, wofür die Wunder und Machtzeichen der apostolischen Zeit überwältigendes, für alle Zeit gültiges Zeugnis geben. Wenn die Christen sich dem Willen Gottes nicht verschließen, sondern trotz aller immer wieder auftretenden Spannungen untereinander zusammenhalten und friedlich miteinander das Evangelium verkünden, so wie es die Männer der apostolischen Zeit, die immerwährendes Vorbild bleibt, getan haben, dann wird sich die Kirche unter Leitung der Nachfolger der Apostel auch weiterhin machtvoll ausbreiten und braucht den drohenden Konflikt mit dem Staat nicht zu scheuen. Es ist sogar nicht ausgeschlossen, daß die Mächtigen dieser Erde einmal begreifen: es wäre gut, wenn alle Bürger unserer Staaten Christen würden. Im übrigen gilt auch von der Apostelgeschichte, was bereits zum Lukasevangelium gesagt ist (s. die Einleitung zum Lukasevangelium: Lk A. B. C. D. E. F. G. H.
DIE APOSTELGESCHICHTE
Vorrede
1 Im
ersten Buch,
o Theophilus, habe ich
über alles berichtet,
was Jesus begonnen hat, zu
tun und zu
lehren12
2 bis zu
dem Tag, da er den
Aposteln,
die er
auserwählt hatte,
durch den
Heiligen Geist seine Weisungen
erteilte und dann in den Himmel
aufgenommen wurde.
3
3 Nach seinem Leiden hatte er
ihnen viele Beweise dafür
gegeben, daß
er lebe.
Vierzig Tage hindurch erschien er
ihnen und belehrte sie
über das
Reich Gottes.
4#
DIE KIRCHE BEI DEN JUDEN
Abschiedsworte Jesu
4 Als er mit ihnen
zusammen war,
gebot er
ihnen, sich
von Jerusalem nicht zu
entfernen,
sondern die
Verheißung des
Vaters zu
erwarten, "
die ihr" (-das waren seine Worte-) "von
mir vernommen habt.
567
5 Johannes hat mit
Wasser getauft,
ihr aber werdet jetzt
nach wenigen Tagen mit Heiligem Geist getauft werden."
8#
6 Als
jene nun beisammen waren,
fragten sie
ihn: "
Herr,
richtest du
in dieser Zeit das
Reich für
Israel wieder auf?"
9#
7 Er
antwortete ihnen: "
Euch kommt es
nicht zu,
Zeit und Stunde zu
kennen,
die der
Vater in seiner Macht festgesetzt hat.
10#
8 Ihr werdet
aber die
Kraft des
Heiligen Geistes empfangen, der
auf euch herabkommt,
und werdet
meine Zeugen sein in Jerusalem,
in ganz Judäa und Samaria,
ja bis an die
Grenzen der
Erde."
11#
Himmelfahrt Jesu
9 Nach diesen Worten ward er vor
ihren Augen emporgehoben,
und eine
Wolke entrückte ihn ihren Blicken.
12
10 Während sie noch unverwandt
zum Himmel schauten, wie
er hinging,
siehe, da
standen zwei Männer in weißen Gewändern bei
ihnen13#
11 und sagten: "Ihr
Männer von
Galiläa,
was steht ihr da und
schaut zum Himmel hinauf?
Dieser Jesus,
der von euch weg
in den
Himmel aufgenommen ist, wird
ebenso wiederkommen,
wie ihr
ihn habt
zum Himmel auffahren sehen."
14
12 Darauf kehrten sie
von dem
Berg,
der Ölberg heißt,
nach Jerusalem zurück;
er liegt nahe bei
Jerusalem, nur einen
Sabbatweg entfernt.
15
13 Dort
angekommen,
stiegen sie
in das
Obergemach hinauf und
verblieben dort. Es waren
Petrus und Johannes,
Jakobus und Andreas,
Philippus und Thomas,
Bartholomäus und Matthäus,
Jakobus, der des
Alphäus,
Simon der
Zelot und Judas, der des
Jakobus.
1617#
14 Sie alle verharrten einmütig im
Gebet zusammen
mit den
Frauen und Maria, der
Mutter Jesu,
sowie seinen Brüdern.
18
Wahl des Apostels Matthias
15 In jenen Tagen erhob sich
Petrus inmitten der
Brüder - es
war eine
Schar von
etwa hundertzwanzig Personen beisammen - und
sagte:
19#
16 "
Brüder, es
mußte das
Schriftwort in Erfüllung
gehen,
das der
Heilige Geist durch den
Mund Davids über Judas vorhergesagt hatte,
der sich zum
Führer für
die hergab, die
Jesus ergriffen.
20
17 Er zählte ja zu uns und hatte Anteil an diesem Dienst.
18 Dieser nun kaufte sich
vom Lohn der
Ungerechtigkeit einen
Acker,
und indem er
kopfüber stürzte,
barst er
mitten entzwei,
und alle seine Eingeweide traten heraus.
2122
19 Das wurde allen Bewohnern von Jerusalem bekannt; man nannte darum jenes Grundstück in ihrer Sprache >Hakeldamach<, das heißt Blutacker.#
20 Im Buch der
Psalmen steht
nämlich geschrieben: >
Sein Gehöft soll
öde werden,
niemand soll
darin wohnen.<
Und: >
Sein Amt soll ein
anderer erhalten.<
23
21 So
muß denn einer von
den Männern, die mit
uns die ganze Zeit zusammen waren,
da der
Herr Jesus unter uns ein-
und ausging, -
24
22 angefangen von der
Taufe des
Johannes bis zu dem
Tag,
da er
von uns weg
aufgenommen wurde -, von diesen muß
einer mit uns Zeuge seiner Auferstehung sein."
2526
23 Sie stellten zwei auf: Josef, genannt Barsabbas, mit dem Beinamen Justus, und Matthias.#
24 Dann beteten sie: "
Du, o
Herr, kennst die
Herzen aller.
Zeig an,
wen von diesen beiden du
erwählt hast,
27#
25 diesen Dienst und das Apostelamt zu übernehmen, das Judas treulos aufgegeben hat, um an den ihm gebührenden Ort zu gehen."
26 Sie
gaben ihnen Lose,
und das
Los fiel auf Matthias,
und er wurde
den elf Aposteln beigezählt.
28#