Lev 1



Einführung in das dritte Buch Mose: Leviticus





Den Inhalt des dritten Buches Mose bilden in der Hauptsache Vorschriften für den Gottesdienst, mit dem Angehörige des Stammes Levi betraut sind. So ist der Name "Leviticus", d.h. Levitisches Gesetzbuch, zu verstehen.



Vieles von diesen Vorschriften mag uns heute kleinlich, ja haarspalterisch anmuten. Die Berechtigung äußerer Gottesverehrung jedoch vorausgesetzt, kann das Wie ihres Vollzugs nicht gleichgültig sein oder Zufall und Laune überlassen bleiben. Die Ehrfurcht vor Gott, dem der heilige Dienst gilt, führt notwendig zu einem fest geregelten und genau umschriebenen "Ritual". Daß Israel freilich bei der Ausprägung dieser kultischen Bräuche nicht anders als nur im Rahmen der altorientalischen Kultur handeln kann, ist eben schon gesagt worden.



Gleichwohl geht es bei diesen Verordnungen um mehr als um bloße Korrektheit im kultischen Bereich. Dies kommt zum Ausdruck in der öfter wiederholten Aufforderung: "Seid heilig, weil ich, der HERR, euer Gott, heilig bin!" (Lev 11, 44f; Lev 19, 2). Diese Forderung zieht sich wie ein verborgenes Leitmotiv durch das ganze Buch.



Die Opfergesetze



In der Darbringung von Opfern findet die Gottesverehrung den sinnfälligsten Ausdruck. Opfer sind so alt wie die Menschheit. Auch Israels Väter haben Opfer nach uralten Riten dargebracht (vgl. Gen 15, 9f;Gen 22, 13;Gen 35, 14).



Im Heidentum mag ursprünglich der Gedanke bestimmend gewesen sein, man müsse die Gottheit speisen, um sie sich dadurch zu verpflichten. Deshalb stehen dort die Opfer weithin im Dienst der Magie oder werden gar zu Zauberhandlungen.



Solche Vorstellungen sind in Israels Glauben unmöglich. Hier hat das Opfer zunächst den Sinn der Huldigung. Von Gott, dem höchsten Herrn, kommt alles, was Israel besitzt. Er hat das Land gegeben, in dem Israel wohnt. Deshalb ist alles, was das Land hervorbringt, seine Gabe: die Tiere der Herde und die Früchte des Ackers. Dafür zollt Israel Gott den Tribut der Dankbarkeit. Die Darbringung der Opfergabe bedeutet aber auch Verzicht und damit Einschränkung im Gebrauch der Güter. So ist das Opfer geeignet, Ausdruck der Sühne für begangenes Unrecht zu werden oder nachdrückliches Zeichen der Bitte um Erhörung in Drangsal und Not.



In allen seinen Formen aber ist das Opfer das äußere Zeichen der inneren Hingabe an Gott. Die Gabe steht stellvertretend für den Geber. Er gibt sich Gott durch sie hin. Damit bekennt Israel, daß es nicht aus eigener Kraft zu leben vermag, sondern nur in der Hingabe an den, von dessen Güte ihm täglich aufs neue sein Leben geschenkt wird. Diese Gemeinsamkeit des Lebens, die so im Opfer bekannt wird, kommt zum Ausdruck im Opfermahl, das manche Opfer beschließt.



Aus der Sicht des Neuen Bundes sieht Paulus in den Opfern des Alten einen verborgenen Hinweis auf Christus, ‘der sich für uns als Gabe und Opfer dargebracht hat, Gott zum liebliche Wohlgeruch’ (vgl. Eph 5, 2;Lev 1, 9). Ihr tiefster Sinn aber ist im Brief an die Hebräer dahin gedeutet, daß sie hinführen zu dem einen Opfer des Neuen Bundes, das sie alle überholt, indem es sie erfüllt. Dadurch, daß Christus spricht: ‘Siehe, ich komme, deinen Willen zu erfüllen, o Gott’, sind wir ‘kraft dieses Willens durch die Hingabe des Leibes Jesu Christi ein für allemal geheiligt’ (vgl. Hebr 10, 5 - 10).





Das Buch Levitikus

Kultische Vorschriften - Das Opfergesetz

Brandopfer von Rindern

1 Der Herr berief Mose und gebot ihm vom Offenbarungszelt aus:
2 "Teile den Israeliten folgende Verordnung mit: Wenn ihr dem Herrn als Opfergabe Vieh darbringen wollt, so nehmt als Opfergabe Rinder und Kleinvieh!12
3 Wer als Opfergabe ein Rinderbrandopfer darbringen will, muß ein männliches, fehlerloses Tier opfern. Er bringe es vor den Eingang des Offenbarungszeltes, um sich dem Herrn wohlgefällig zu machen.3
4 Er lege die Hand auf den Kopf des Brandopfertieres. So wird es ihm gnädig aufgenommen werden und Versöhnung für ihn erwirken.45
5 Dann schlachte er vor dem Herrn das Rind. Die Söhne Aarons, die Priester, sollen das Blut darbringen und das Blut ringsum auf den Altar gießen, der am Eingang zum Offenbarungszelt steht.67
6 Er häute das Brandopfer ab und zerlege es in seine Teile.
7 Die Söhne des Priesters Aaron sollen Feuer auf dem Altar anmachen und Holz auf das Feuer auflegen.
8 Dann sollen die Söhne Aarons, die Priester, die Stücke samt dem Kopf und dem Fett auf das Holz legen, das über dem Feuer auf dem Altar aufgeschichtet ist.
9 Die Eingeweide und Beine aber soll er waschen. Dann lasse der Priester alles zusammen auf dem Altar in Rauch aufgehen als Brandopfer, als Feueropfer zu lieblichem Geruch für den Herrn.89

Brandopfer von Kleinvieh

10 Wenn jemand als Opfergabe zum Brandopfer Kleinvieh, Schafe oder Ziegen, darbringt, opfere er ein männliches, fehlerloses Tier.
11 Er schlachte es vor dem Herrn auf der Nordseite des Altars. Die Söhne Aarons aber, die Priester, sollen das Blut ringsum auf den Altar gießen.
12 Er zerlege es in seine Teile, und der Priester soll diese samt dem Kopf und dem Fett auf das Holz legen, das über dem Feuer auf dem Altar aufgeschichtet ist.
13 Die Eingeweide und Beine aber soll er waschen. Hierauf bringe der Priester alles zusammen dar und lasse es auf dem Altar in Rauch aufgehen als Brandopfer, als Feueropfer zu lieblichem Geruch für den Herrn.

Brandopfer von Vögeln

14 Bringt jemand als Opfergabe für den Herrn zum Brandopfer Vögel dar, so opfere er Turteltauben oder Tauben.10
15 Der Priester bringe das Tier an den Altar, knicke ihm den Kopf ab und lasse es auf dem Altar in Rauch aufgehen. Das Blut aber presse er an der Wand des Altars aus.11
16 Den Kropf mit seinem Inhalt nehme er weg und werfe ihn neben den Altar gegen Osten auf den Aschenhaufen.
17 Hierauf reiße er dem Tier die Flügel ein, ohne sie abzutrennen. Dann lasse es der Priester auf dem Altar auf dem Holz, das über dem Feuer aufgeschichtet ist, in Rauch aufgehen als Brandopfer, als Feueropfer zu lieblichem Geruch für den Herrn.
1 Die Opfergesetze unterscheiden zwischen blutigen und unblutigen Opfern. Unter den blutigen Opfern steht das Brandopfer, das ausschließlich dem Zweck der Gottesverehrung dient (die Opfergabe wird vollständig zerstört), an erster Stelle. Es drückt die Ganzhingabe des Menschen an Gott aus. Lebensmittel (Rinder, Schafe, Ziegen, Tauben, Mehl, Öl, Wein) werden stellvertretend für das Leben dargebracht, wobei die Hingabe des Lebens an Gott im Gehorsam, der >Dienst Gottes<, wie er in Jesus am vollkommensten verwirklicht wurde (Phil 2, 5 - 11), wichtiger ist; vgl. 1Sam 15, 22;Röm 5, 19.
2 ℘ Ex 29, 18;2Sam 6, 17;1Kön 3, 15;Ez 45, 15
3 ℘ Lev 22, 18 - 21;Ex 12, 5;1Kön 8, 64;Ps 51, 19
4 Die Handauflegung bedeutete in erster Linie nicht die Übertragung der Sünden auf das Tier, sondern die Übergabe des Tieres als eines Stücks vom Besitz des Opfernden an Stelle seiner eigenen Person und seines Lebens (vgl. dazu auch die Anm. zu Ex 29, 10).
5 ℘ Num 8, 12;1Chr 6, 34
6 Die Schlachtung fand >vor dem Herrn< statt, d.h. vor dem Heiligtum als der einzigen rechtmäßigen Kultstätte, an sich durch den Opfernden selbst, auch wenn er ein Laie war, tatsächlich aber wegen der dabei erforderlichen Kunstfertigkeit durch die Priester. Die Sprengung mit Blut als dem Symbol des Lebens brachte die Darbringung des Lebens an Gott zum Ausdruck.
7 ℘ Lev 17, 11;Dtn 12, 16;Ex 12, 13;Ex 29, 12;Ez 44, 9 - 11
8 Die Verbrennung des ganzen Opfertieres war Gott >zu lieblichem Geruch<, d.h. wohlgefällig, weil dadurch die gänzliche Hingabe des Opfernden angedeutet wurde (vgl. die Anm. zu Gen 8, 21; s. auch oben zu V.1).
9 ℘ Ez 40, 38;Gen 8, 21;Ex 29, 18. 25. 41;Lev 9. 13. 17;Lev 21, 6
10 ℘ Gen 15, 10
11 Die Haut des Tieres wurde nicht durchschnitten, so daß der Kopf vom Leib nicht losgelöst wurde (vgl. Lev 5, 8); mit den Flügeln geschah es ebenso (V.17).