Ez 17

Das Schicksal des Hauses David

Adler und Zeder

1 Das Wort des Herrn erging an mich:
2 "Menschensohn, gib dem Haus Israel ein Rätsel auf und trage ihm ein Gleichnis vor!
3 Sage: So spricht der allmächtige Herr: >Ein großer Adler mit großen Flügeln, langen Schwingen, voll bunten Gefieders, kam zum Libanon. Er nahm den Wipfel der Zeder weg,1
4 brach ab den obersten Sproß, brachte ihn in ein Krämerland und setzte ihn in eine Kaufmannsstadt ein.2
5 Dann nahm er vom Samen des Landes, pflanzte ihn in ein Saatfeld, setzte ihn wie eine Weide an reichliches Wasser ein,3
6 damit er wachse und zum wuchernden Weinstock werde von niedrigem Wuchs. Seine Ranken sollten sich zu ihm hinwenden, seine Wurzeln aber unter ihm bleiben. So ward er ein Weinstock, brachte Äste hervor und trieb Zweige.
7 Es war aber noch ein anderer großer Adler mit großen Flügeln und starkem Gefieder, und siehe, dieser Weinstock trieb ihm seine Zweige entgegen und streckte nach ihm seine Wurzeln aus, auf daß er ihn tränke mehr als das Beet, auf das er gepflanzt war.4
8 Und doch war er auf gutem Boden, an reichlichem Wasser gepflanzt, daß er Zweige treibe und Frucht trage, - ein herrlicher Weinstock werde.<
9 Darum sprich: So spricht der allmächtige Herr: >Kann das glücken? Wird jener Adler nicht seine Wurzeln ausreißen und seine Früchte abschneiden, so daß all seine frischsprossenden Zweige verdorren? Er wird verdorren, und es bedarf nicht eines gewaltigen Armes und zahlreichen Volks, um ihn aus seinen Wurzeln zu heben.5
10 Siehe, er ist gepflanzt, aber wird er gedeihen? Wird er nicht, wenn ihn der Ostwind trifft, verdorren? Auf dem Beet, auf dem er emporgesproßt ist, wird er verdorren.<"

Deutung des Gleichnisses

11 Dann erging das Wort des Herrn an mich:
12 "Sage dem widerspenstigen Geschlecht: >Wißt ihr nicht, was dies bedeutet?< Sage ihnen: >Siehe, der König von Babel kam nach Jerusalem, nahm dessen König samt seinen Fürsten gefangen und ließ sie zu sich nach Babel bringen.
13 Er nahm auch einen aus königlichem Geschlecht, schloß einen Bund mit ihm und verpflichtete ihn durch einen Eid. Die Vornehmen des Landes nahm er mit,6
14 damit die Königsmacht geschwächt bleibe und sich nicht erhebe, sondern seinen Bund bewahre und bestehen bleibe.
15 Doch er fiel von ihm ab und sandte Boten nach Ägypten, daß man ihm Pferde und viel Kriegsvolk gebe. Wird es glücken? Wird der heil davon kommen, der solches getan? Wird der Bundesbrüchige heil davon kommen?
16 So wahr ich lebe!< - Spruch des allmächtigen Herrn -: >Am Wohnsitz des Königs, der ihn zum König gemacht, dessen Eid er mißachtet, dessen Bund er gebrochen, bei ihm soll er sterben mitten in Babel.
17 Der Pharao aber wird ihm im Krieg nicht helfen mit großem Heer und zahlreichem Volk, wenn man den Wall aufwirft und Bollwerke baut, um viele Menschen zu töten.
18 Denn er hat den Eid mißachtet und den Vertrag gebrochen, und obwohl er den Handschlag gegeben hatte, doch dies alles getan. Deshalb wird er nicht davonkommen.<"
19 Darum spricht der allmächtige Herr: "So wahr ich lebe, ich werde den mir geleisteten Eid, den er mißachtet hat, und den mit mir geschlossenen Bund, den er gebrochen hat, ihm am eigenen Leib vergelten.
20 Ich will mein Netz über ihn ausbreiten, und er soll in meiner Schlinge gefangen werden. Nach Babel werde ich ihn führen und ihn dort wegen seines Treubruchs, den er an mir begangen hat, richten.7
21 All seine auserlesenen Krieger in all seinen Heerscharen werden durch das Schwert fallen und die Überlebenden in alle Winde zerstreut werden. So werdet ihr erkennen, daß ich, der Herr, es gesagt habe."

Gottes eigene Pflanzung

22 So spricht der allmächtige Herr: "Ich werde vom Wipfel der hohen Zeder etwas nehmen und es einsetzen. Von dem obersten Sproß werde ich ein zartes Reis abpflücken und es auf einem hohen, ragenden Berg einpflanzen.8
23 Auf die Bergeshöhe Israels werde ich es einpflanzen. Es wird Zweige treiben und Frucht bringen und zu einer herrlichen Zeder werden. Allerlei Vögel werden darunter wohnen; im Schatten seiner Zweige werden sie nisten.
24 Dann werden alle Bäume des Feldes erkennen, daß ich, der Herr, den hohen Baum erniedrigt und den niedrigen Baum erhöht habe, daß ich den grünenden Baum dürr und den dürren Baum grünend gemacht habe. Ich, der Herr, sage und vollführe es."
1 Der große Adler ist Nebukadnezzar, der Libanon versinnbildet Jerusalem mit seinen prächtigen Zedernbauten (vgl. Jer 22, 6f. 23).
2 Der Wipfel der Zeder ist König Jojachin, der nach der Handelsstadt Babel in die Verbannung weggeführt wurde (598 v.Chr.).
3 V. 5 - 6: Nebukadnezzar setzte an die Stelle Jojachins Zidkija (vgl. 2Kön 24, 17), der in Abhängigkeit vom Großkönig dem Südreich Wohlergehen sichern sollte.
4 Der zweite Adler ist der Pharao; vgl. dazu die Anm. zu 2Chr 36, 12.
5 Nebukadnezzar wird Zidkija aus seinem Land ausreißen, d.h. in die Verbannung führen und sein Reich vernichten.
6 Bei seiner Einsetzung hatte Zidkija den Treueid geleistet (V.13), bei dem man Gott als Zeugen und Rächer anrief (vgl. auch Num 30, 3;Lev 19, 12;Mal 3, 5).
7 ℘ Ez 32, 3
8 ℘ Jes 11, 1;Ez 20, 40;Dan 4, 9;Mt 13, 32