Mal 1

Einführung in das Buch Maleachi





Gottes Ehre: Des Volkes Heil



Dieses letzte Buch in der Sammlung der "Zwölf" enthält die Reden eines Propheten, der mehr als ein Menschenalter nach Haggai und Sacharja ebenfalls in Jerusalem aufgetreten ist, d.h. also in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts v.Chr. Fraglich bleibt allerdings, ob der ihm beigelegte Name auch wirklich als Eigenname zu verstehen und nicht vielmehr einfach aus Mal 3, 1 hergeleitet ist. Dort steht das hebräische Wort "Maleachi" (= mein Bote) aber schlicht als Amtsname, wie er jedem Propheten als "Boten" Gottes gegeben werden könnte.



Was an der literarischen Gestalt des Buches besonders auffällt, ist die eigentümliche Form der Wechselrede, in der sich allem Anschein nach die fortgesetzten Auseinandersetzungen des Propheten mit seinen Gegnern spiegeln.



Die Frage, um die es bei diesen Auseinandersetzungen geht, ist die Frage nach Gottes Ehre. Immer wieder weist der Prophet in scharfer Anklage darauf hin, daß die göttliche Ehre in der Gemeinde der nach Jerusalem Heimgekehrten zu kurz komme, und zwar in allen Lebensbereichen, besonders aber beim Gottesdienst im wieder aufgebauten Tempel. Die Schuld daran gibt er nicht zuletzt dem nachlässigen und ehrfurchtslosen Verhalten der Priester. Ehrfurcht vor Gott aber ist die unabdingbare Voraussetzung dafür, daß dem Volke von Gott her das verheißene Heil zuteil werden kann.



Deshalb greift auch dieser Prophet das bekannte Bild vom "Tag des Herrn" auf (vgl. Amos 5, 18; Zef 1, 14 - 16). Gott wird diesen Tag hereinbrechen lassen, damit das Volk, durch das Feuer des Gerichts geläutert, wieder willig werde, Gott die ihm gebührende Ehre zu geben, um so das Heil zu erlangen.



Noch einem letzten Einwand stellt sich der Prophet. Es ist die anstößige Tatsache, daß es den Gottlosen oft so gut geht, während ein gottesfürchtiges Leben von Gott anscheinend nicht beachtet wird. Als Antwort darauf läßt der Prophet Gott selbst vom kommenden Endgericht her die gültigen Maßstäbe setzen: Die Gottlosen gehen zugrunde. Denen aber, die Gottes Namen die schuldige Ehre geben, wird "aufgehen die Sonne des Heiles" (Mal 3, 18 - 20).



Die dem Buch angefügte Verheißung der Wiederkunft des Propheten Elija ist in den Evangelien wieder aufgegriffen und auf Johannes, den Vorläufer Jesu, bezogen (vgl. Mal 3, 23f§Mt 11, 14; Mt 17, 10 - 12; Mk 9, 12f; Lk 1, 17; Joh 1, 21).





Das Buch Maleachi

Gottes Ehre: Des Volkes Heil

1 Ausspruch. - Wort des Herrn an Israel durch Maleachi.1

Einleitung: Vorliebe Gottes für Israel

2 "Ich liebe euch!", spricht der Herr. Doch ihr fragt: "Wieso liebst du uns?" - "Ist Esau nicht der Bruder Jakobs?" - Spruch des Herrn. "Aber ich liebte Jakob23
3 und haßte Esau; zur Öde machte ich seine Berge, sein Erbteil gab ich den Schakalen der Wüste preis.
4 Wenn Edom spricht: >Unser Land ist verwüstet, doch wollen wir wieder aufbauen die Trümmer<, so spricht der Herr der Heerscharen: Sie mögen bauen, doch ich werde niederreißen. Man nennt sie >Land des Frevels< und >Volk, dem der Herr auf ewig zürnt<.4
5 Wenn eure Augen es schauen, werdet ihr sagen: >Groß ist der Herr über Israels Grenzen hinaus.<"

Der Gottesdienst im Tempel

>Wo ist meine Ehre?<

6 "Ein Sohn ehrt den Vater und ein Knecht seinen Herrn. Wenn ich nun Vater bin, wo ist meine Ehre? Wenn ich Herr bin, wo ist die Furcht vor mir?, spricht der Herr der Heerscharen zu euch, ihr Priester, die ihr meinen Namen verunehrt. Ihr fragt: >Wieso haben wir deinen Namen verunehrt?<5
7 Ihr bringt ja unreine Speise dar auf meinem Altar und fragt noch: >Wieso haben wir ihn verunreinigt?< Dadurch, daß ihr denkt: >Der Tisch des Herrn ist verächtlich.<6
8 Wenn ihr ein blindes Tier zum Opfer bringt, ist das nicht schlimm genug? Wenn ihr ein lahmes oder krankes darbringt, ist das nicht schlimm genug? Bringe es doch deinem Statthalter dar, ob der daran Freude hat oder dich huldvoll aufnehmen wird!", spricht der Herr der Heerscharen.7
9 "Nun, so versucht doch, Gott zu besänftigen, daß er uns huldvoll aufnimmt! Aus eurer Hand ward ihm solches zuteil. Kann er da noch gnädig gegen euch sein?", spricht der Herr der Heerscharen.

Ankündigung eines neuen, reinen Opfers

10 "Schlösse doch einer von euch gleich die Tore zu, daß ihr nicht vergeblich Feuer anfacht auf meinem Altar! Kein Wohlgefallen habe ich an euch", spricht der Herr der Heerscharen, "und keine Opfer mag ich aus euren Händen.89
11 Denn vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang wird mein Name groß sein unter den Völkern, und überall wird meinem Namen geopfert und ein reines Speiseopfer dargebracht. Denn groß wird mein Name sein unter den Völkern", spricht der Herr der Heerscharen.1011

Die Pflichtvergessenheit der Priester

12 "Doch ihr entweiht ihn, indem ihr sprecht: >Der Tisch des Allmächtigen ist verunreinigt, und was davon kommt, ist verächtlich.<
13 Ihr sagt: >Welche Mühe!< und blast sein Feuer an", spricht der Herr der Heerscharen. "Ihr bringt Geraubtes oder Lahmes und Krankes als Opfer dar. Soll ich das mit Wohlgefallen aus eurer Hand annehmen?", spricht der Herr.
14 "Verflucht der Betrüger, der ein männliches Tier in seiner Herde hat und, obschon er es dem Allmächtigen gelobt, doch nur ein schlechtes opfert! Denn ein großer König bin ich!", spricht der Herr der Heerscharen, "und gefürchtet ist unter den Völkern mein Name.12
1 >...durch Maleachi< - >Maleachi< bedeutet >mein Bote<. - Der Targum fügt hinzu: "Sein Name ist Esra, der Schreiber". - Die Septuaginta enthält den Zusatz: "Legt also (dieses) auf eure Herzen".
2 V. 2 - 3: Nicht Esau, der ältere Bruder Jakobs, wurde als Träger der Verheißungen erwählt, sondern - in freier Gnadenwahl - Jakob, vgl. Röm 9, 10 - 13). - >Hassen< bedeutet in diesem Zusammenhang >zurücksetzen<, >geringschätzen<, >weniger lieben<, vgl. Lk 14, 26.
3 ℘ 2 - 3 # Gen 25, 23;Röm 9, 13§Dtn 4, 37;Dtn 7, 7f;Hos 11, 1
4 Edom (vgl. die Anm. zu Gen 27, 39 - 40) blühte zwar später unter den Nabatäern wieder auf, ging aber als Volk und Staat unter.
5 ℘ Ex 20, 12;Dtn 5, 16;Dtn 32, 6
6 V. 7 - 8: Mit der >Speise< sind die Opfer im Tempel gemeint. Der Prophet nennt sie >unrein< wegen der ehrfurchtslosen Gesinnung, mit der die Priester ihres Amtes walten.
7 ℘ Lev 22, 18 - 25
8 Unter diesen Umständen wäre es ehrlicher, den Tempel zu schließen und den Opferdienst einzustellen, weil Gott an ihm doch kein Gefallen mehr haben kann.
9 ℘ Jer 6, 20;Amos 5, 21
10 Die hier ausgesprochene Begründung für die Zurückweisung der Opfer von seiten Gottes geht weit über den gegebenen Anlaß hinaus. Im Opferdienst des Tempels zu Jerusalem kann Gottes Ehre grundsätzlich nicht den ihr entsprechenden Ausdruck finden. Dem Herrn der Erde und aller Völker gebührt ein Opfer, das man ihm überall, in Ost und West, darbringt, und zwar als >reine Opfergabe<, die seiner würdig ist. - Die kirchliche Überlieferung sieht in dieser Stelle einen prophetischen Hinweis auf das vollkommene Opfer der messianischen Zeit. Das Konzil von Trient (1545 -1563) hat diese Deutung bekräftigt. - Vgl. auch die Anm. zu Ps 51, 18.
11 ℘ Ps 22, 28;Jes 2, 2 - 5;Jes 11, 9;Amos 9, 12;Mi 4, 2
12 ℘ Gen 27, 12;Jer 48, 10;Koh 5, 4f;Ps 68, 35;Ps 76, 12;Offb 15, 4