Weish 9

>Gib mir Weisheit, die bei dir auf dem Thron sitzt!<

1 "Gott der Väter und Herr des Erbarmens! Der du das All durch dein Wort geschaffen,1
2 den Menschen durch deine Weisheit gebildet, daß er den Geschöpfen gebiete, die durch dich ins Dasein traten,2
3 daß er die Welt in Heiligkeit und Gerechtigkeit leite, in Geradheit des Herzens die Herrschaft führe:3
4 Gib mir Weisheit, die bei dir auf dem Thron sitzt! Schließe mich aus der Zahl deiner Kinder nicht aus!4
5 Ich bin ja dein Knecht, der Sohn deiner Magd, ein schwacher Mensch, der nicht lange lebt, nur wenig versteht von Recht und Gesetz.5
6 Wenn jemand auch vollkommen unter den Menschen: Ginge die Weisheit, die von dir ausgeht, ihm ab, wäre er für nichts zu achten.
7 Du hast mich für dein Volk zum König gewählt, zum Herrscher über deine Söhne und Töchter.6
8 Du gabst mir Befehl, einen Tempel auf deinem heiligen Berg zu erbauen, einen Altar in der Stadt, wo du thronst: Des heiligen Zeltes Abbild, das du vorherbereitet von Anfang an.7

>Daß ich erkenne, was dir gefällt!<

9 Bei dir ist die Weisheit. Sie kennt deine Werke. Sie war zugegen, als du das Weltall schufst. Sie weiß, was deinen Augen gefällt, was recht ist nach deinen Geboten.8
10 Vom heiligen Himmel sende sie her! Vom Thron deiner Herrlichkeit schicke sie herab! Daß sie mir helfe bei meinem Tun, daß ich erkenne, was dir gefällt.
11 Sie weiß und versteht ja alles. Mit Besonnenheit wird sie mich leiten bei meinem Tun, durch ihr helles Licht mich behüten.9
12 Wohlgefällig werden dann meine Werke sein. Gerecht werde ich dein Volk regieren, würdig sein des Thrones meines Vaters.10

>Nur durch die Weisheit ward ihnen Rettung<

13 Denn wer vermag den Ratschluß Gottes zu erkennen, wer wird ergründen den Willen des Herrn?11
14 Denn furchtsam sind die Gedanken der Sterblichen, trügerisch unsere Überlegungen.12
15 Der vergängliche Leib beschwert ja die Seele, die irdische Wohnung ist lästig dem vielsinnenden Geist.13
16 Selbst die irdischen Dinge erkennen wir kaum. Nur mit Mühe verstehen wir, was offen vor uns liegt. Wer kann denn ergründen, was im Himmel ist?14
17 Wer hat je deinen Ratschluß erkannt, wenn du ihm nicht Weisheit verliehen, deinen heiligen Geist ihm nicht aus der Höhe gesandt?15
18 Nur so wurden gerade gerichtet die Pfade der Erdenbewohner und die Menschen belehrt über das, was dir wohlgefällt.1617
19 Nur durch die Weisheit ward ihnen Rettung.1819
1 ℘ 1 - 18 # 1Kön 3, 6 - 9;2Chr 30, 22§ Gen 32, 10;2Chr 20, 6;1Chr 28, 9;2Chr 1, 9
2 ℘ Gen 1, 26 - 28;Ps 8, 7 - 10
3 ℘ Lk 1, 75
4 ℘ 2Chr 1, 10
5 ℘ Ps 116, 16;Ijob 14, 1
6 ℘ 2Sam 3, 2 - 5;1Kön 1, 5. 28 - 30
7 ℘ 2Sam 7, 13;1Kön 5, 18f;2Chr 6, 12;2Chr 7, 1. 9;2Sam 6, 17;1Chr 28, 11. 19.f§Ps 11, 4;Ps 18, 7;Offb 3, 12;Hebr 8, 2. 5;Hebr 9, 23;Offb 8, 3f;Offb 11, 19;Offb 13, 6;Offb 14, 18;Offb 15, 5;Ex 25, 9. 40;Ex 26, 30;Ps 132, 13f;Hebr 8, 2
8 ℘ Spr 8, 27 - 31;Weish 8, 4
9 ℘ Weish 10, 11 - 14§1Kor 13, 4 - 10
10 ℘ Weish 9, 9;Weish 11, 1;Sir 3, 17
11 ℘ Jes 46, 9f;Mi 4, 12;Röm 11, 34
12 V. 14 - 15: Da der Mensch nicht imstande ist, stets klar und sicher das Richtige zu erkennen, faßt er seine Entschlüsse meist mit der Furcht zu irren. Der Grund dafür liegt in den Gebrechen des stofflichen Leibes, wodurch die Tätigkeit der Seele belastet ist und gehemmt wird. - Auch hier sind wieder die Einflüsse der griechischen Denkart spürbar. Allerdings betrachtet der Verfasser den Leib keineswegs als den >Kerker< der Seele (wie Plato). Seine Vorstellungen bewegen sich immer noch im Rahmen der alttestamentlichen Anschauungen (vgl. die Anm. zu Weish 1, 4 - 5;Ijob 4, 19). Erst im Neuen Testament wird der Gegensatz zwischen Leib und Geist von Paulus stärker betont (vgl. Röm 7, 23f;Gal 5, 17).
13 ℘ Gal 5, 17;Röm 7, 14 - 25§Ijob 4, 19;2Kor 4, 7;Jes 38, 12;2Kor 5, 1. 4
14 ℘ Joh 3, 12
15 ℘ Joh 3, 13;1Kor 2, 16
16 Der Vers leitet zum dritten Teil des Buches über, in dem der Verfasser das Walten der Weisheit auf den >Pfaden der Erdenbewohner<, d.h. im Lauf der Geschichte, schildert.
17 ℘ Spr 2, 12f;Spr 15, 21;Jes 26, 7;Hos 14, 10
18 Die Vulgata fügt hinzu: "Die von Anbeginn, Herr, dein Wohlgefallen gefunden haben."
19 ℘ Jes 32, 15;Bar 4, 4